Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Muensters Fall - Roman

Muensters Fall - Roman

Titel: Muensters Fall - Roman
Autoren: H kan Nesser
Vom Netzwerk:
alten Wünsche, die ihm in den Sinn kamen und sich bemerkbar machten. Was wohl schon eine Menge darüber sagte, was für ein alter Knacker er geworden war. Konnte nicht mal sein Geld so mir nix, dir nix unter die Leute bringen. Schaffte es einfach nicht. Verdammte Scheiße!
    Waldemar Leverkuhn schob die Zeitung zur Seite und goss sich eine neue Tasse Kaffee mit Genever ein.
    Zumindest das konnte er sich genehmigen! Einen kleinen
Nachschlag. Er lauschte eine Weile den Tauben, während er das Getränk in sich schlürfte. Vielleicht sollte er die Sache so angehen? Sich einfach etwas gönnen. Ein bisschen großzügiger bei Freddy’s sein. Etwas teurere Weine. Eine Leckerei bei Keefer’s oder Kraus.
    Warum eigentlich nicht? Ein paar Jahre etwas besser leben.
    Jetzt klingelte das Telefon schon wieder.
    Palinski, natürlich.
    »Das wird ein saustarkes Fest in Kapernaum!«
    Sogar die gleichen Worte wie Wauters. Schon merkwürdig, dass er nicht mal in der Lage war, sich ein paar eigene Kraftausdrücke zuzulegen. Nach der Begrüßungsfloskel lachte er eine halbe Minute lang laut in den Hörer und beendete seinen Anruf damit, dass er etwas dahingehend schrie, wonach der Wein bei Freddy’s fließen würde.
    »... halb sieben! Weißes Hemd und neuen Schlips, du alter Schweinehund!«
    Dann legte er auf. Waldemar Leverkuhn schaute wieder eine Weile seine frischvermählte Ehefrau an und ging dann zurück in die Küche. Trank den letzten Rest Kaffee und rülpste. Dann lachte er.
    Endlich lachte er. Fünftausend waren immerhin fünftausend.
     
    Bonger, Wauters, Leverkuhn und Palinski.
    Sie waren schon ein hübsches Quartett, Bonger und Palinski kannten sich bereits seit Kindesbeinen. Seit ihrer Schulzeit auf der Magdeburgischen und den Kriegswintern in den Kellern von Zuiderslaan und Merdwick – in der Mitte ihres Lebens waren sie einige Jahrzehnte auseinander gedriftet, aber dann wieder aufeinander gestoßen. Wauters hatte sich ihnen später angeschlossen, ziemlich viel später. Einer dieser einsamen Herren bei Freddy’s, dieser Wauters. Zugereist von Hamburg oder Frigge oder woher auch immer. Er war nie verheiratet gewesen (der Einzige im Quartett, der es geschafft hatte, wie er selbst meinte, auch wenn er inzwischen den Junggesellenstatus mit Bonger und Palinski teilte) – und dennoch war er der einsamste
arme Teufel, den man sich nur denken konnte. Das pflegte Bonger zumindest im Vertrauen zu erwähnen, denn Bonger war derjenige, der ihn am längsten und am besten kannte und der ihn in den Kreis eingeführt hatte. Ein alter Spieler war er auch, der Wauters, zumindest wenn man den Gerüchten Glauben schenken wollte, die er mit gewissem Bedacht um sich zu verbreiten pflegte ... obwohl sich das inzwischen nur noch auf Fußballtipps und Lose bezog. Die Rennpferde waren heutzutage sowieso nur noch gedopte Kamele, wie er resigniert behauptete, und die Jockeys gekauft. Und die Karten? ... Ja, wenn man fast zwölfhundert mit einem As-Vierer verloren hat, dann muss man es auf seine alten Tage verflucht noch mal ruhiger angehen lassen.
    Laut Benjamin Wauters.
    Bonger, Wauters, Leverkuhn und Palinski.
    Letzten Abend hatte Palinski ausgerechnet, dass sie zusammen zweihundertzweiundneunzig Jahre alt waren und dass sie, wenn sie noch zwei Jahre durchhielten, ihrem 300-Jahr-Jubiläum gerade rechtzeitig zur Jahrhundertwende ins Auge sehen konnten. Das war nun wahrlich nicht schlecht, oder?
    Palinski hatte seine Hand auf Frau Gautiers’ generös geformten Hintern gelegt, während er es ihr erzählte, aber Frau Gautiers hatte nur geschnaubt und gemeint, sie für ihren Teil hätte eher auf vierhundert getippt.
    Doch in Wirklichkeit wurde es weder mit der einen noch mit der anderen runden Zahl etwas, da dieser Samstag der letzte in Waldemar Leverkuhns Leben war. Wie schon gesagt.
     
    Marie-Louise kam mit den Einkaufstüten zurück, gerade als er gehen wollte.
    »Wohin willst du?«
    »Raus.«
    »Warum denn?«
    »Mir ’nen Schlips kaufen.«
    Ihr Gebiss klapperte zweimal, wie immer, wenn sie sich über etwas ärgerte. Tick, tock.

    »Einen Schlips?«
    »Ja.«
    »Warum willst du dir einen Schlips kaufen? Du hast doch schon fünfzig Stück.«
    »Ich bin sie alle leid.«
    Sie schüttelte den Kopf und schob sich mit ihren Tüten an ihm vorbei. Ein Geruch nach Nieren stach ihm in die Nase.
    »Du brauchst kein Essen zu machen.«
    »Was? Was meinst du damit?«
    »Ich esse auswärts.«
    Sie stellte ihre Tüten auf den Tisch.
    »Ich habe Nieren
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher