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München Manhattan #1

München Manhattan #1

Titel: München Manhattan #1
Autoren: Vanessa Vollmann
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gemütliches Schwätzchen mit ihrer Schwägerin Kristin in New York halten wollte.
     
    ***

DIE VERGANGENHEIT SCHLEICHT SICH AN
    MÜNCHEN. SAMSTAG 11 UHR
     
    „ Auuutsch !“ Jetzt ist ihr vor lauter Schreck das Zwiebelmesser abgerutscht, und sie hat sich tief geschnitten.
    Sophie versucht gleichzeitig den Hörer, den sie zwischen Kopf und rechter Schulter eingeklemmt hat, nicht zu verlieren und ein Küchentuch auf die Wunde ihres linken Zeigefingers zu drücken. Aber das will ihr einfach nicht gelingen.
    Mit einem lauten Scheppern zerschellt das Telefon am Küchenboden, die Batterien springen mit einem Satz heraus und rollen unter die große Kommode, die ihre Großtante ihr vererbt hat. Einen Moment lang steht Sophie einfach nur da. Sie fühlt sich wie ein aufgescheuchtes Reh und überlegt verzweifelt, um was sie sich zuerst kümmern soll.
    Finger? Blut? Zwiebeln auf dem Herd? Susanna am Telefon? Hatte sie das eben richtig verstanden? Kristin hatte Peter mit einer anderen Frau erwischt? Das kann doch nicht wahr sein. Vor zehn Minuten hatte sie noch ganz andere Sorgen.
    Sie hat heute Abend fünfzehn Leute zum Essen eingeladen. Und einer Einladung bei Sophie in Schwabing eilt schon ein gewisser Ruf voraus – die Leute erwarten einen wahren Gaumenschmauß und das nicht zu Unrecht. Denn kochen kann sie nun wirklich wie keine andere.
    Sie kramt in der ‚Schublade für alles‘ und findet auch tatsächlich ein Pflaster. Zwar sieht es nicht mehr ganz frisch aus, und desinfizieren sollte sie die Wunde wohl auch besser, aber egal. Egal, egal, egal!
    Jetzt muss sie erstmal die Batterien unter der Kommode hervorkramen. Sie legt sich auf den Boden, streckt ihre Hand so weit wie möglich darunter und findet – eine Batterie. Die andere bleibt verschwunden.
    OK, dann das Handy. Wo ist das bloß ?
    Sie steht mitten in der großen Wohnküche ihrer zwar nicht perfekt renovierten, aber unendlich gemütlichen Münchner-Altbauwohnung. Sie reibt sich die Augen, so gut es eben mit ihrem schlecht verbundenen Finger geht. Noch mal kurz überlegen, was Susanna da gerade gesagt hatte.
    Die Frau in Peters Armen kommt ihr bekannt vor. Sophie läuft es kalt den Rücken herunter.
    „Schatz, ich bin wieder da!“, werden ihre Gedanken unterbrochen. Gavin ist vom Elisabeth-Markt zurück. Und mit ihm laufen ihre 12-jährigen Zwillinge, Jossie und Freddy, in die Küche. Mit ihren blonden Locken und ebenmäßigen Gesichtszügen sind sie ihr wie aus dem Gesicht geschnitten.
    Ein kurzes : „Hi, Mama!“, und weg sind sie wieder.
    „Was ist denn hier passiert?“ Gavin blickt sich besorgt in der Küche um.
    „Es ist meine Schuld“, stammelt Sophie. „Es ist alles meine Schuld …!“
    Weiter sprechen kann sie nicht. Sie wendet sich von Gavin ab und sinkt auf dem Küchenstuhl in sich zusammen.
     
    ***

DIE ANDERE
    MÜNCHEN. SONNTAG 7 UHR
     
    Wie konnte er nur? Mein Ehemann, mein bester Freund. Der Mensch, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen wollte. Dem ich vertraut habe. Wie konnte er mir das nur antun? Und, um alles in der Welt, warum bloß?
    Da liegt sie nun mit ihren 38 Jahren wieder im Bett im Haus ihrer Eltern. In ihrem ehemaligen Kinderzimmer. Hier ist sie aufgewachsen. Pferdeposter hatten einmal ihr Zimmer geschmückt. Mit acht Jahren war es ihr größter Traum gewesen, später mal ein eigenes Pferd zu haben. Und natürlich Reitlehrerin zu sein. Dieser Traum hatte sich dann mit etwa zehn Jahren erledigt. Da wurden die Pferdeposter gegen Ballettposter getauscht, und die wiederum mussten dann weichen, als ihr Herz abwechselnd irgendwelchen Teenie-Idolen aus der Bravo gehörte.
    Mittlerweile hatte ihre Mutter aus ihrem Kinderzimmer ein durchgestyltes Gästezimmer gemacht. Nicht gerade Kristins Geschmack, aber ganz die Linie ihrer Mutter. Dezent, ein paar Antiquitäten, wie etwa die Biedermeier Kommode und der dazu passende Schreibtisch. Vorhänge mit sehr klassischen Mustern. Alles in einem eleganten Dunkelrot gehalten. Alles sehr fein und geschmackvoll – aber so gar nicht Kristin.
    Doch schließlich ist es auch nicht mehr ihr Zimmer. Sie ist verheiratet und das schon seit über sieben Jahren. Sie hat ja nun mittlerweile ihr eigenes Zuhause in New York. Die Stadt, die sie eben verlassen hat. Na ja, nicht einfach so. Auch wenn ihre Mutter das denkt. Aber wie hätte sie denn einfach so dableiben können, nachdem was passiert war?
    Der Gedanke an ihre Wohnung in New York versetzt ihr einen Stich. Ihre wunderschöne Wohnung. In
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