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München Manhattan #1

München Manhattan #1

Titel: München Manhattan #1
Autoren: Vanessa Vollmann
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Schön, dass du da bist … Ich habe schon gehört … Ach, jetzt zieh doch erstmal deinen Mantel aus. Du siehst ja total durchgefroren aus. Soll ich uns einen Tee machen? Oder möchtest du lieber Rotwein?“
    Sophie stammelt noch mehr als Kristin. Fahrig greift sie sich durch ihre blonden dichten Locken. Um diese Lockenpracht hat Kristin Sophie immer schon beneidet. Umgekehrt hat Sophie sie immer um ihre schlanke Figur beneidet. Aber so sind sie eben unterschiedlich.
    Susanna groß und sportlich, Kristin klein und zierlich, und Sophie, na ja, eben so dazwischen. Sie war immer schon die Mitte zwischen den dreien. Auch in Sachen Temperament die Mitte. Der ausgleichende Pol in dem Trio. Immer ruhig und gelassen. Aber heute?
    Sophie öffnet ein paar Küchenschränke, bis sie endlich zwei Teetassen und eine Flasche Rotwein in der Hand hält.
    Kristin nimmt ihr die Rotweinflasche aus der Hand und umarmt sie erstmal . „Tee wäre ganz wunderbar“, sagt sie.
    Mit zittrigen Händen setzt Sophie das Teewasser auf. Dann öffnet sie auch noch die Flasche Rotwein.
    „Sophie, geht es dir nicht gut?“
    „Doch, doch – alles bestens. Ich bin nur etwas fertig zur Zeit. Gestern hatten wir 15 Personen zum Abendessen, und irgendwie war es wahnsinnig anstrengend. Das Essen ist mir auch nicht richtig gelungen.“
    „Dir ein Essen nicht gelungen? Ich wusste gar nicht, dass das überhaupt passieren kann.“
    „Ach, das ist auch alles nicht so wichtig. Wie geht es dir denn?“, fragt Sophie.
    Das ist Kristins Stichwort. Sie fängt an zu erzählen. Von der furchtbaren Begegnung im Zoo bis zu der schrecklichen Unterhaltung mit Peter. Von den zwei Tagen danach, in denen sie sich wie in einem schlechten Traum gefühlt hat. Ihre Entscheidung, nach Deutschland zu fliegen. Sie lässt nichts aus. Sie redet und redet. Sie merkt, wie gut es ihr tut, alles mal loszuwerden. Und Sophie unterbricht sie nicht. Schweigend sitzt sie ihr gegenüber. Ab und zu zuckt sie zusammen, wenn es um die andere Frau geht. Sie ist sehr blass geworden.
    „Meine Güte Sophie, du bist ja leichenblass“, sagt Kristin. „Geht dir das alles so nahe, weil es dich an deine Trennung erinnert? Das wollte ich nicht.“
    „Nein, nein – ist schon gut. Mir geht es nur gerade nicht so besonders“, sagt Sophie. Sie schweigt und blickt unsicher an Kristin vorbei ins Leere.
    „Du siehst auch wirklich nicht gesund aus. Leg dich lieber hin. Wir können auch ein andermal reden. Mein Problem läuft mir ja nun nicht weg“, sagt Kristin.
    Sophie scheint dem Gespräch aber gar nicht mehr zu folgen. Sie starrt weiter ins Leere Richtung Wand.
    Etwas irritiert greift Kristin sich ihren Mantel und umarmt Sophie zum Abschied. Jetzt sieht Sophie aus, als wollte sie noch etwas sagen. Aber es kommt nichts …
    Das ist so gar nicht Sophie. Wo ist denn meine Ich-habe-immer-ein-offenes-Ohr-für-alles-Freundin? Die, an deren Schulter man sich immer ausweinen kann?
    Kristin zieht sich verwirrt den Mantel über und verlässt die Wohnung. Unten auf der Straße bleibt sie unschlüssig einen Moment stehen. U-Bahn oder Taxi? Ihre Eltern wundern sich bestimmt schon wo sie bleibt. Und um Elisa muss sie sich jetzt auch mal kümmern.
    Da klingelt ihr Handy. Gedankenübertragung – das kann nur ihre Mutter sein. Sie fischt ihr Handy aus ihrer Gucci Handtasche und nimmt das Gespräch an.
    „Ja, Mama?“
    „Kristin? Ich bin’s. Peter.“
    Auch das noch.
    „Störe ich dich gerade oder bist du allein?“, fragt er.
    „Ich komme gerade von Sophie.“
    Schweigen – oder ist die Verbindung abgebrochen?
    „Peter, bist du noch da?“
    „Bei Sophie warst du also. Dann weißt du ja jetzt alles über Charlotte.“
    „Charlotte?“, fragt Kristin.
    „Ja, Charlotte – meine Kollegin, die Frau aus dem
    Zoo – Sophies Freundin Charlotte.“
    Kristins Knie werden weich, in ihren Ohren fängt es an zu rauschen.

ONCE UPON A TIME IN NEW YORK
    MÜNCHEN. SONNTAG GEGEN MITTERNACHT
     
    Ich fühle mich so alt und müde – und dabei bin ich doch erst 40!
    Sophie hebt ihren Kopf und blickt verzweifelt aus dem dunklen Küchenfenster in die verschneite Straße. Es ist mitten in der Nacht und noch kein Fußabdruck und keine Autospur hat die frische Schneedecke berührt. Es ist still. Als wäre sie ganz allein auf dieser Welt.
    Und genauso fühlt sie sich auch. Unendlich allein. Und das, obwohl sie es ja eigentlich gar nicht ist. Gavin ist im Wohnzimmer auf dem Sofa eingeschlafen und atmet tief und ruhig – nur
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