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Muenchen Blues

Titel: Muenchen Blues
Autoren: Max Bronski
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gebunkert. Tagsüber lagen wir unten am Meer, gegen Abend ließen wir uns in der Bar sehen, und nachts wurden feurige Knoblauchnudeln gekocht, die von Mal zu Mal besser gelangen und schmeckten. Am ersten November nahmen wir ein Bad im Meer und gedachten Allerheiligen, drei Tage später waren wir bereits wieder auf dem Rückweg. Rotbraun wie zwei Apachenhäuptlinge standen wir in Erding.
    Die Wiederbegegnung mit dem Münchner Wetter war brutal: Schneegrieß rieselte vom Himmel. Jetzt gab es kein Vertun mehr, das waren keine Eisheiligen, keine Schafskälte oder ein sonst wie maskiertes Schönwetter, das war die kalte Jahreszeit höchstpersönlich. Trübsinnig dackelten wir von der U-Bahn Poccistraße nach Hause. Bevor Julius in seinem Hinterhof verschwand, fielen wir uns noch mal um den Hals, versicherten uns gegenseitig, dass wir einen tollen Ausflug gemacht hätten, und dann wollte ich meiner Wege gehen. Weitkam ich nicht, vielleicht hundertfünfzig Meter. Dann brüllte Julius hinter mir her. Das war der Schrei der gequälten Kreatur.

7
    Schon von außen sah man, dass mit Julius Büro etwas nicht stimmte. Die Vorhänge waren nicht zugezogen. Wenn man genauer hinschaute, bemerkte man, dass es gar keine mehr gab. Das Wohnbüro war leer, komplett ausgeräumt. Die Geräte ebenso wie die Platinen, Chips, Transistoren, Widerstände und Lötzinnrollen waren weg. Nicht einmal ein Schrotthändler, der als Einbrecher unterwegs war, hätte diesen ganzen Krempel mitgenommen. Die Tür war der Einfachheit halber zugemauert worden. Dort pappte ein Zettel, dass weitere Hinweise im Hausbriefkasten seien. Hier fand sich ein Brief von Rechtsanwalt Zwicklhuber. Sein Klient habe in den zurückliegenden Wochen mehrfach angemahnt, das vertragswidrige Sperrmülllager, in das Herr Balser die Mietsache verwandelt habe, unverzüglich zu räumen. Eine Reaktion sei nicht erfolgt. So habe man die Mietlogistikspezialisten von Bärnbichl und Partner beauftragt, die nötigen Schritte einzuleiten. Weiteres erfahre man dort. Hochachtungsvoll, gezeichnet RA Zwicklhuber.
    Julius war in die Knie gegangen, er hockte auf der Treppe und verbarg sein Gesicht in den übereinandergeschlagenen Armen, die er auf den Oberschenkeln aufgestützt hatte. Alsich ihn hochzog, war er so bleich, dass auch Rescue-Tropfen nicht ausgereicht hätten, ihn wieder auf die Beine zu stellen. Da ich sonst nichts zur Hand hatte, schleppte ich ihn in Erikas Stehausschank, wo ich ihm einen Dreifachen servieren ließ. Zur Stabilisierung seines Zustands wiederholten wir diese Kur noch einmal. Er tat mir so leid und war schließlich Freund genug, dass ich ihn mit zu mir nahm. Das sollte sich als folgenschwerer Schritt erweisen. In dem kleinen Zimmer habe ich eine Klappliege. Dort platzierte ich ihn. Er legte sich hin, deckte sich zu, rollte sich zur Seite und schlief ein. Erikas Kur zeigte Wirkung.
    Als ich am anderen Morgen aufwachte, saß Julius bereits an meinem Rechner. Bevor er sich in das wirkliche Leben hinauswagte, checkte er zunächst einmal das Netz. Immerhin hatte er zutage gefördert, dass die Anwaltskanzlei Zwicklhuber in Nymphenburg an der Nördlichen Auffahrtsallee gemeldet war. Bei dem sogenannten Mietlogistikspezialisten Bärnbichl handelte es sich um einen professionellen Entmieter, der bereits einschlägig von sich reden gemacht hatte. Er warb mit dem Slogan, dass sein Team die Sprache der Mieter unzweideutig spreche. Ihre Spezialität waren Mietnomaden; hier habe das Team die besten Erfolge erzielt, indem man die Betrüger mit Nachdruck an ihre Zahlungsrückstände erinnert und sie höflich, aber bestimmt gebeten habe, die Mietsache unverzüglich zu räumen. Sich auszumalen, wie das ablief, dafür brauchte man keine große Fantasie.
    – Ruf an, sagte ich zu Julius.
    Julius guckte so verschüchtert wie ein dickes Karnickel mit Hängeohren.
    – Einfach so?
    Ich stellte ihm den Apparat hin und schaltete auf Mithören. Am anderen Ende war Adi Bärnbichl persönlich. Seiner Stimme nach zu urteilen, kämpfte er sich aus den Niederungen eines brutalen Katers ins Leben zurück. Patzig war er trotzdem. Julius könne ja klagen, wenn er Probleme habe. Er jedenfalls habe andere. Probleme, meinte er, aber das war nicht zu überhören. Dann warf er den Hörer auf die Gabel.
    – Jetzt den Zwicklhuber!
    – Den Anwalt?
    Am liebsten hätte ich Julius eine runtergehauen. Einem wie ihm konnte man die Bude ausräumen, und er trug noch das schlechte Gewissen vor sich her, selber
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