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Mrs. Pollifax macht Urlaub

Mrs. Pollifax macht Urlaub

Titel: Mrs. Pollifax macht Urlaub
Autoren: Dorothy Gilman
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wiedersehen«, versprach er. Mit leichtem Lächeln fügte er hinzu: »Es war mir ein Vergnügen, zwei so - so professionell denkende und handelnde Menschen kennengelernt zu haben, darf ich so sagen? Wir stehen in Ihrer Schuld. Kann ich Ihnen jetzt noch irgendwie behilflich sein?«
»Nein, ich möchte nur schlafen, bis Hanan hier ist«, gestand Mrs. Pollifax.
»Dann wünsche ich Ihnen einen guten Schlaf«, entgegnete er ernst und ging zum Flugzeug.

20
    Mrs. Pollifax saß mit dem Rücken zur Wand in der großen Banketthalle des Schlosses und beobachtete, wie sich die Sonne, nach einem prachtvollen Farbenspiel in Gold und Rot, dem Horizont näherte. Abrupt erschien sie als riesiger leuchtendroter Ball, und für einen flüchtigen Moment glitzerten die Feuersteine in der Wüste silbern. Zwischen den alten Mauern konnte sie die umherschwirrenden Fledermäuse hören, die vermutlich nicht erfreut über die zwei Eindringlinge waren. Sie hatte ihre Decke für Farrell ausgebreitet, und er lag auf dem Bauch darauf, aber sie wußte, daß er nicht schlafen konnte. Sie bedauerte, daß sie nicht unnachgiebiger darauf bestanden hatte, daß er mit dem Inspektor im Flugzeug geflogen war. Er war mit verschiedenen Ölen gesalbt worden - eine sehr biblische Prozedur, so sein lakonischer Kommentar -, aber sie wußte, daß er noch starke Schmerzen hatte. Es würde mehr als Josefs Taxi brauchen, ihn nach Amman zurückzubringen. Sie seufzte, schloß die Augen und versuchte zu schlafen. Aber sie wachte schon nach wenigen Augenblicken wieder auf, gequält von schrecklichen Visionen und Taimurs grausam lächelndem Gesicht. So öffnete sie die Augen und blickte auf ihre Uhr. »Farrell, sie müßten bald hier sein.«
    »Ja. Bitte helfen Sie mir auf. Stehen ist besser.«
    »Hat man Sie noch mit etwas anderem als den Salben behandelt?«
»Sie haben mir zwei Spritzen gegeben, eine gegen Tetanus, die andere gegen die Schmerzen.« Er schauderte.
»Versuchen Sie nicht daran zu denken, was passiert ist«, riet sie. »Versuchen Sie es!«
Er nickte. »Ich versuche es.«
Als sie müde aus dem schattigen Schloß in die heiße Sonne humpelten, konnten sie ringsum meilenweit sehen. Das Wadi Ghaduf schlängelte sich nordwärts, und dann, als sie sich nach Süden wandten, sahen sie drei hohe kegelförmige Felssäulen aus der leeren Wüste wachsen, deren Trostlosigkeit nur von vereinzelten Grasflecken gemildert wurde. Die Luft war so klar, daß Mrs. Pollifax im Westen dunkle Schatten winziger Formen sehen konnte, die das Lager des Scheichs anzeigen mo chten durch die Entfernung zu schwarzen Punkten in einer gelblichen Landschaft geschrumpft. Ein schwacher, warmer Luftzug war zu spüren, doch ansonsten rührte sich nichts.
    »Ein einsamer Ort«, murmelte Farrell.

    »Aber eine angenehme Einsamkeit«, entgegnete Mrs. Pollifax.

    »Danke. Ich ziehe Städte, Smog und Menschen vor. Wie geht es Ihrem Arm?«

    »Nicht schlecht. Wie geht es Ihrem Rücken?«

    »Nicht schlecht«, entgegnete er mit dem Versuch eines
    Lächelns.
»Sie können gut lügen.«
»Genau wie Sie, Herzogin.«
    Sie blickten schweigend hinaus in die große Stille, die Leere, die für Mrs. Pollifax gar nicht so sehr Leere war, sondern etwas so Zeitloses und in gewisser Weise Unendliches, daß es ihren Augen, ihrem Herzen guttat, ja möglicherweise, dachte sie, ihrer Seele. An das würde sie sich erinnern, das wußte sie, nicht an Mr. Nayef oder Taimur oder die Gewalttätigkeit, sondern an diese Weite und Stille und die Gastlichkeit der Beduinen und an Hanan, fügte sie lächelnd hinzu.
    Sie hörte Farrell neben sich seufzen. »Mit Ihrem Mr. Nayef und meinem irakischen Freund sind wir durch die Hölle gegangen. Doch das haben wir nun hinter uns. Nur bedauerlicherweise kommt mit dem Morgen auch die Wirklichkeit. Und was mich betrifft, verdammt - ich habe versagt. Kein Ibrahim.«
    »Das erinnert mich an etwas, das ich noch nicht erwähnt habe. Aber es war ja auch eine sehr ereignisreiche Nacht. Sie haben nicht wirklich versagt, lieber Farrell.«
    »Was haben Sie denn nicht erwähnt?« fragte er gereizt. »Und versuchen Sie nicht, mich zu trösten.«
    Mrs. Pollifax lächelte. »Nichts läge mir ferner, Farrell. Doch ich glaube, Sie werden Ibrahim im Lager vorfinden.«
»Ich werde was?« Er drehte ihr den Kopf zu und starrte sie an.
»Ich sagte, ich glaube, daß Sie Ibrahim noch finden werden im Zelt von Hanans Großvater.«
Jetzt blickte er sie besorgt an. »Es geht Ihnen doch gut, Herzogin, oder? Sie
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