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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft
Autoren: Helen Simonson
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verdeckt wurden.
    Als der Major Grace entdeckte, unterhielt sie sich gerade mit Marjorie, deren Kopfbedeckung heftig ins Wackeln geriet, während sie sprach. Dem Major blieb nur die Vermutung, dass ihr Einverständnis mit der bevorstehenden Hochzeit das weitere Geschwätz über deren Unangemessenheit nicht ausschloss.
    Der Pfarrer stand etwas verloren herum. Daisy hatte sich geweigert zu erscheinen. Alec und Alma saßen in der ersten Reihe, sprachen aber nicht miteinander. Der Major war Alec sehr dankbar dafür, dass er für ihre Freundschaft eingestanden war und seiner Frau abverlangt hatte, ihn zu begleiten. Andererseits mussten jetzt alle Almas starre Miene und die Seufzer der Gekränkten ertragen. Aus der breiten Terrassentür trat wogend seine Nachbarin Alice, die eine Art Batikzelt und Hanfsandalen trug. Begleitet wurde sie von Lord Dagenham, der eben von seiner alljährlich im Frühling absolvierten Venedigreise zurückgekehrt war und signalisiert hatte, er würde sich über eine Einladung freuen, jetzt aber leicht perplex auf die sonderbaren Leute reagierte, die sich da auf dem Rasen hinter seinem Haus versammelten.
    »Glaubst du, es gefällt Dagenham, wie die Rasools alles umgebaut haben?«, fragte der Major.
    »Nach dem Vorfall mit den Schulkindern und den Enten sollte er froh sein, dass sich alles so in Wohlgefallen aufgelöst hat«, erwiderte Jasmina. Die örtlichen Behörden hatten, nachdem ihnen das Entenjagdfiasko zu Ohren gekommen war, die Schule sofort geschlossen. Erst vor kurzem waren die Rasools einem langfristigen, von Gertrude, Gattin des Laird of Loch Brae, initiierten Plan gefolgt und hatten in aller Stille das gesamte Gebäude mit Ausnahme des Ostflügels gemietet und zu einem Landhotel umgebaut, was es Lord Dagenham dank reichlicher Einkünfte nun wieder erlaubte, seine Zeit zwischen Edgecombe und anderen gesellschaftlichen Treffpunkten aufzuteilen. Da passte es ausgezeichnet, dass diese multiethnische Veranstaltung die erste von ihnen organisierte Hochzeit war.
    Die Gäste der Braut – ein kleines Grüppchen, bestehend aus einem stellvertretenden Imam namens Rodney, Amina und ihrer Tante Noreen, Mrs. Rasools Eltern sowie dem Mann, der den Laden mit Tiefkühlkost belieferte und flehentlich darum gebeten hatte, kommen zu dürfen – drängten sich jetzt auf der Terrasse zusammen, als würden sie von einem unsichtbaren Seil zurückgehalten. Abdul Wahid sollte sie zum vereinbarten Zeitpunkt in einer kleinen traditionellen Prozession zu ihren Stühlen führen. Er stand etwas abseits und sah finster drein wie immer, so als würde er das oberflächliche Geschnatter rings um ihn zutiefst missbilligen. Amina würdigte er keines Blickes. Die beiden hatten eine strikte Strategie des gegenseitigen Vermeidens entwickelt, die sie derart rigide befolgten, dass klar zu erkennen war, wie sehr sie sich noch immer zueinander hingezogen fühlten. Ohne jeden Zweifel, dachte der Major, missbilligte Abdul Wahid auch die zahlreichen in der Gästeschar des Bräutigams zur Schau gestellten dicken Knie und üppigen Dekolletés älterer Damen. Abdul Wahid verstrubbelte das Haar seines Sohns, der mit seiner völlig schief sitzenden Krawatte wohlig an den Vater gelehnt dastand. Der Trubel ließ George offenbar völlig kalt – er las in einem großen Buch.
    Der Major seufzte. Jasmina lachte ihn an und ergriff seinen Arm.
    »Ein bunt zusammengewürfelter, zerlumpter Haufen«, sagte sie, »aber eben das, was übrig bleibt, wenn alles oberflächliche Getue ausgedient hat.«
    »Und ist das genug?«, fragte der Major und legte seine Hand auf ihre kühlen Finger. »Genug für die Zukunft?«
    »Für mich ist es mehr als genug«, sagte Jasmina. »Mein Herz ist ganz erfüllt.«
    Sie stockte. Der Major sah in ihr Gesicht und schob eine auf Abwege geratene Locke aus der Wange, ohne ein Wort zu sagen. Während der bevorstehenden Feier würde genug Zeit sein, um auch über Ahmed und Nancy zu sprechen. Jetzt aber war da nur das Schweigen stiller Besinnung, das wie Sonnenlicht auf einem Teppich zwischen ihnen lag.
    Draußen improvisierte die Harfenistin ein wildes Glissando. Ohne den Blick zu heben, spürte der Major, dass die Gäste jetzt aufrechter saßen und sich sammelten. Vielleicht wäre er lieber für immer in diesem Raum geblieben, um dieses Gesicht zu betrachten, dem die Liebe wie ein Lächeln um die Augen eingeschrieben war, aber das ging nicht. Er straffte die Schultern und bot ihr mit einer feierlichen Verbeugung den
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