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Mr. Shivers

Mr. Shivers

Titel: Mr. Shivers
Autoren: Robert Jackson Bennett
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fand sie wunderschön.
    Zerlumpter Wanderer, dies sind hohle Länder, geheiligte Länder. Siehe, wie sie zu deinen Füßen aufgereiht liegen, zerstörte Ruinen längst vergessener Völker, uralt in ihrem stummen Zorn. Siehe dies. Siehe es und wisse, das ist dein Zuhause.
    Alle fünfzig Meter blieb er stehen und sah zu den Bergen. Der eine groß, der andere klein, der eine direkt hinter dem anderen. Die in die Höhe sprangen, als wollten sie versuchen, einander zu überwältigen. Und vielleicht taten sie das ja auch. Selbst an diesem leblosen Ort erschien der Konflikt unausweichlich.
    Jedes Mal, wenn er anhielt, griff er nach hinten, zog den Revolver und überprüfte die Munition. Das war sein Ritual. Seine Methode des Gebets und der Erinnerung. Er versuchte zu zählen, wie oft er stehen geblieben war, gab aber bei vierzehn auf.
    Als er die beiden Gipfel erblickte, glaubte er es im ersten Augenblick nicht. Er schaute sie an und vermutete einen Trick, aber dann gab er nach, überprüfte wieder den Revolver und ging auf sie zu. Unterwegs nickte er beim Laufen vor Müdigkeit immer wieder ein, und als er wieder einmal hochschreckte, entdeckte er einen rot-schwarzen Fleck auf dem steinigen Pfad. Er kniete nieder und berührte ihn.
    Blut. Es war klebrig. Ziemlich frisch. Jedenfalls frisch genug.
    Connelly folgte ihm. Sein Blick suchte unablässig nach weiteren Flecken, verfolgte eine verwundete Kreatur und wartete auf das Tor, das er im Berg finden würde.
    Ein Felsspalt. Ein Riss in der Welt. Der in die Tiefe zu all jenen Dingen führte, die nicht vergaßen. Wo sich Dinge noch immer an das erinnern, das niemals vergessen werden kann, ganz egal, wie sehr wir uns auch darum bemühen.
    »Ich bringe dich um«, sagte Connelly und ging weiter.
    Er kam zum Fuß der beiden Gipfel und sah die Kluft davor; sie war höhlenartig und gekrümmt und schien das Werk eines Riesen zu sein, der einen Blitz in den Boden gerammt hatte. Er blieb wieder stehen und hielt nach dem Blut Ausschau. Da seine Hände bluteten, hielt er sie auf dem Rücken, damit sie die Spur nicht unkenntlich machten. Auf einem moosigen Stein waren ein paar Tropfen zu finden. Connelly untersuchte den Boden um den Stein herum, studierte die Fährte und kam zu dem Schluss, dass der Mann mit den Narben dort gesessen hatte. Sich dort hingesetzt hatte, um zu verschnaufen, nach Connelly Ausschau zu halten oder auch einfach nur zu sitzen. Connelly saugte seine Umgebung in sich auf, erkannte die neue Fluchtrichtung seiner Beute und setzte sich wieder in Bewegung. Er zog den Revolver und behielt ihn in der Hand.
    Die Spur führte zum Rand eines Abgrunds, und er beugte sich vor und schaute in die Tiefe. Möglicherweise lag es an der Art und Weise, wie das Sonnenlicht die Schatten erschuf, aber die Schlucht erschien endlos. Er konzentrierte sich wieder auf die Spur und sah, dass sie genau am Rand des Abgrunds entlangführte. Der Mann war noch nicht erschöpft. Damit hatte Connelly auch nicht gerechnet.
    Der Tod ist unermüdlich, sagte er sich. Das ist schon in Ordnung. So schnell ermüde auch ich nicht.
    Dann kam er zu einem Pfad, der hinunter in den Abgrund führte. Er senkte sich so sanft hinab, und der Untergrund war so fest, dass man ihn erbaut haben musste, und zwar mit Sorgfalt. Mit der Waffe in der Hand und suchenden Blicken stieg er in die Tiefe. Er ging, bis das Licht nur noch ein schmaler Streifen in der Höhe war und die Wände der Schlucht um ihn herum aufklafften. Er fragte sich, ob man diesen Ort nicht tatsächlich in den Felsen gehauen hatte. Eine primitive, in den Boden gegrabene Zuflucht, die an die Ahnen erinnern sollte und wohl einst das Ziel einer primitiven Pilgerreise gewesen war. Er dachte darüber nach, ob er nicht auch ein solcher Pilger war.
    Auf dem halben Weg zum Grund der Schlucht hinunter stieß er auf die Höhle. Ihr Eingang war schmal, kaum höher als vier Fuß. Er entdeckte keinerlei Blutspuren, aber die brauchte er auch nicht, um zu wissen, dass dies der Ort war, an den der Narbenmann geflohen war.
    Connelly griff in die Tasche, wühlte darin herum und holte eine Schachtel Streichhölzer hervor. Er zog sein Hemd aus, wickelte es um einen in der Nähe liegenden Ast und zündete das Ende an. Es war ein zögerliches, qualmendes Feuer, das nicht besonders stabil war. Er würde sich langsam bewegen müssen oder gezwungen sein, den Weg mit Streichhölzern zu beleuchten. Er wartete, bis die Fackel gleichmäßiger brannte, und betrat die Höhle.
    Der Gang
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