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Mr. Peregrines Geheimnis: Roman (German Edition)

Mr. Peregrines Geheimnis: Roman (German Edition)

Titel: Mr. Peregrines Geheimnis: Roman (German Edition)
Autoren: A.J. Hartley
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gespürt. Es war wie das kleine Fotoalbum, das er in seine neue Heimat mitgebracht hatte, ein Fenster zur Vergangenheit – aber anders als bei diesem Album fühlte er nun keinen Schmerz, keinen Verlust, wenn er den Spiegel ansah. Es war seltsam. Sein Blick wanderte von dem wunderschönen Spiegel zum lächelnden Gesicht des alten Mannes, und seine Anspannung schwand.
    »Okay«, sagte er. »Danke.«
    »Ich möchte dich nur bitten, dass du ihn in deinem eigenen Zimmer aufbewahrst, und dass du gut achtgibst, dass er nicht zerbricht. Er darf nicht einmal einen Sprung bekommen. Das ist sehr wichtig.«
    »Sonst hat man sieben Jahre Pech«, sagte Darwen und grinste.
    Das Lächeln verschwand vom Gesicht des Ladenbesitzers, und seine Augen wurden schmal.
    »Was willst du damit sagen?«, zischte er.
    »Nun, einfach nur …«, begann Darwen verblüfft. »Das ist ein Sprichwort, jedenfalls sagen wir das in England. Ein Aberglaube. Wenn man einen Spiegel zerbricht, hat man sieben Jahre Pech. Das ist alles. Ich wollte nicht sagen …«
    »Ach so«, sagte Mr. Peregrine mit beruhigtem Gesicht. »Ein Aberglaube. Verstehe. Komm, ich packe ihn für dich ein.«
    »Danke«, sagte Darwen.
    Der Ladenbesitzer wickelte dickes, braunes Packpapier von einer Rolle, schnitt mit einer großen, altertümlichen Schere ein passendes Stück ab und schnürte es schließlich mit Bindfaden um den Spiegel.
    »Danke«, sagte Darwen wieder.
    »Nichts zu danken, Mr. Arkwright«, sagte der alte Mann und drehte sich um, »nichts zu danken.«
    Darwen zögerte, aber der Ladenbesitzer wandte ihm weiter den Rücken zu und begann, tonlos vor sich hinzusummen; also drehte er sich um und ging. Als das Glöckchen über der Tür leise anschlug, sah er sich noch einmal um und glaubte für den Bruchteil einer Sekunde in einem der Spiegel an der rückwärtigen Wand zu sehen, wie Mr. Peregrine ihm aufmerksam nachblickte.

K A P I T E L 4

    Tante Honoria hatte gar nicht bemerkt, dass Darwen zu spät kam. Sie hatte ihr Handy am Ohr und redete über Deadlines und Meetings, und auf dem Weg zum Auto und den größten Teil der Heimfahrt telefonierte sie weiter. Darwen hörte nicht zu. Er dachte an das seltsame, kleine Geschäft und an die vielen Spiegel, von denen einer gut verpackt neben ihm auf dem Sitz lag.
    Darwen verbarg das braune Packpapierpäckchen zwischen den großen Einkaufstüten und schaffte es, sein Geschenk unbemerkt von seiner Tante ins Haus zu schmuggeln. Er brachte es in sein Zimmer, und sobald er hörte, dass im Wohnzimmer der Fernseher angeschaltet wurde (Tante Honoria guckte meist einen Sender, der rund um die Uhr Wirtschaftsnachrichten brachte), packte er es aus. In einer Schublade in der Küche fand er einen Hammer und einen Nagel. Seine Tante bekam nicht mit, dass er wieder in seinem Zimmer verschwand; sie hatte ihr Laptop auf dem Schoß und telefonierte schon wieder wegen anderer Deadlines und Meetings.
    Darwen hämmerte den Nagel innen in die Tür seines Wandschranks und hängte den Spiegel daran auf. Anschließend saß er eine Weile einfach davor und betrachtete sich, und obwohl er keinen Grund dafür nennen konnte, machte es ihn irgendwie glücklich, dass er diesen Spiegel hatte. Vorsichtig schloss er die Schranktür, und er hatte den Hammer gerade wieder zurückgelegt, als seine Tante ihr Laptop zuklappte, den Fernseher abschaltete und ihn fragte, wie sein Tag gewesen war.
    Das Abendessen – ein Auflauf mit Zuckerschoten und Tofu – schlang Darwen so hastig hinunter, dass seine Tante dachte, er habe einen Mordshunger, obwohl er eigentlich nur schnellstens wieder in sein Zimmer wollte. Es war, als könnte er die Anwesenheit des Spiegels fühlen, und er konnte es nicht erwarten, ihn wieder anzusehen. Natürlich war das irgendwie seltsam, aber dieser Spiegel war etwas Besonderes, und er gehörte ihm. Und abgesehen von den Sachen, die Darwen in zwei große Koffer hatte quetschen können – Kleider, ein paar Spielsachen und vor allem die Bücher, ohne die er nicht sein konnte –, war alles, was er zu Hause in England besessen hatte, einstweilen eingelagert worden.
    Seine Tante hatte ihm zusätzliche Kleider, Spielsachen und Bücher gekauft, aber die gaben ihm das Gefühl, er sei in eine Bibliothek oder in ein Museum eingezogen. Er konnte sich die Sachen ansehen, er durfte sie sogar anfassen, aber es waren nicht seine eigenen. Nicht so richtig jedenfalls.
    Aus irgendeinem Grund, den er nicht genau benennen konnte, war das mit dem Spiegel anders,
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