Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mr Monster

Mr Monster

Titel: Mr Monster
Autoren: Dan Wells
Vom Netzwerk:
erzählt hatten. Es ist eine Sache, wenn ein Serienmörder auf Sie losgeht, aber wenn sich dieser Serienmörder als Dämon entpuppt und vor Ihren Augen zu Asche und schwarzem Matsch zerschmilzt, wie sollen Sie das jemandem erklären, ohne ins Heim gesteckt zu werden?
    »Die wollen sich bestimmt nur vergewissern, dass sie alles richtig in den Akten haben«, beruhigte sie mich. »Wir haben ihnen alles erzählt, was es zu erzählen gibt.«
    »Alles bis auf den Dämon, der versucht hat …«
    »Darüber wollen wir nicht reden«, unterbrach Mom mich streng.
    »Können wir nicht einfach so tun, als …«
    »Darüber wollen sie nicht reden«, wiederholte Mom. Sie gab so gut wie nie zu, dass wir tatsächlich einen Dämon gesehen hatten. Ich dagegen wollte unbedingt mit jemandem darüber sprechen, doch leider weigerte sich der einzige Mensch, mit dem ich mich hätte austauschen können, auch nur darüber nachzudenken.
    »Ich habe ihm doch schon siebenundzwanzigmal alles andere erzählt«, antwortete ich und schaltete auf einen anderen Kanal um. »Entweder ist er misstrauisch, oder er ist ein Idiot.« Auf dem neuen Kanal war so wenig los wie auf dem vorigen.
    Mom überlegte kurz. »Denkst du schlecht über ihn?«
    »Ach, nun hör doch auf, Mom!«
    »Das ist wichtig.«
    »Damit komme ich ganz gut allein zurecht.« Ich legte die Fernbedienung weg. »Ich komme sogar schon ziemlich lange allein damit zurecht. Es ist wirklich nicht nötig, dass du mich ständig an jede Kleinigkeit erinnerst.«
    »Denkst du jetzt gerade schlecht über mich?«
    »Ich fange so langsam damit an, ja.«
    »Und?«
    Ich verdrehte die Augen. »Du siehst heute toll aus«, sagte ich.
    »Du hast mich nicht mehr angesehen, seit du den Fernseher eingeschaltet hast.«
    »Ich muss nicht ehrlich sein. Es reicht, wenn ich etwas Nettes sage.«
    »Aufrichtigkeit hilft dir aber …«
    »Weißt du, was mir hilft?« Ich stand auf und trug die leere Müslischale in die Küche. »Wenn du aufhören würdest, mich ständig zu nerven. Die Hälfte der schlechten Gedanken, die ich habe, entstehen nur, weil du mir andauernd im Nacken sitzt.«
    »Lieber ich als jemand anders!«, rief sie ungerührt aus dem Flur herüber. »Ich weiß ja, dass du mich zu lieb hast, um mir etwas Schlimmes anzutun.«
    »Mom, ich bin ein Soziopath. Ich liebe niemanden. So ist das definiert.«
    »Ist das etwa eine versteckte Drohung?«
    »O nein, zum … das war keine Drohung. Ich geh jetzt.«
    »Und?«
    Ich kehrte in den Flur zurück und starrte sie verzweifelt an. Wir sagten es noch einmal auf. »Heute will ich gute Gedanken denken und jedem, der mir begegnet, ein Lächeln schenken.« Ich schnappte meinen Rucksack und wandte mich noch einmal zu ihr um.
    »Du siehst heute wirklich toll aus«, sagte ich.
    »Wofür war das denn?«
    »Das willst du nicht wissen.«

ZWEI

Ich ließ meine Mom stehen und ging nach unten zur Seitentür, die den gemeinsamen Ausgang unserer Wohnung im ersten Stock und des Beerdigungsinstituts im Erdgeschoss darstellte. Dort gab es zwischen den Türen und der Treppe einen kleinen Absatz, wo ich für einen Moment stehen blieb und tief durchatmete. Wie jeden Morgen sagte ich mir, dass Mom mich nur unterstützen wollte – dass sie meine Probleme erkannt hatte und mir dabei helfen wollte, sie auf die einzige Art und Weise zu bewältigen, die ihr zur Verfügung stand.
    Ich hatte gehofft, es würde mir leichter fallen, meine Regeln zu befolgen, wenn ich sie ihr beschrieb – als würde ich damit mehr Verantwortung für ihre Einhaltung übernehmen –, doch sie übte eine unerträgliche Kontrolle über mich aus, und inzwischen wusste ich weder ein noch aus. Es machte mich verrückt.
    Buchstäblich.
    Meine Regeln sollten andere Menschen schützen und mich davor bewahren, etwas Falsches zu tun. Ich musste Situationen meiden, in denen ich jemandem wehtun konnte. Das Potenzial dazu war eindeutig vorhanden.
    Im Alter von sieben Jahren entdeckte ich die große Leidenschaft meines Lebens: Serienmörder. Mir gefiel natürlich nicht, was sie taten – ich wusste, dass es falsch war –, aber ich war davon fasziniert, wie und warum sie es taten. Am stärksten beeindruckte mich nicht etwa, dass sie anders waren, sondern wie ähnlich sie einander und auch mir waren. Als ich mehr darüber las und einiges darüber wusste, zählte ich bald im Kopf alle typischen Warnzeichen auf: chronisches Bettnässen, Pyromanie, Tierquälerei. Hoher Intelligenzquotient und schlechte Zensuren, eine einsame
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher