Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mountain Bike Boy

Mountain Bike Boy

Titel: Mountain Bike Boy
Autoren: Martin Frank
Vom Netzwerk:
Personal nicht für Trinkgeld lächelt, sondern aus Freundschaft.
    Ich erwartete nicht, dass Philip mich liebte, und doch brachte dass er mich nicht liebte, mich zur Verzweiflung. Genau das Beste an ihm, nämlich die Natürlichkeit, mit der er mir seinen wunderbaren Körper zu Verfügung stellte, begann mich zu quälen. Patrick genoss, etwas wie ein Strichjunge zu sein, er wollte immer wieder den Kitzel der materiellen Unterwerfung spüren, eine Hure zu sein, rettete ihn davor, Durchschnitt zu sein.
    Philip hingegen war mein Freund; fragte ihn jemand, so erklärte er, dass er mein Freund sei, weil ich ihm das Geld gegeben hätte, um jenes erste Flugzeug zu chartern, seine sichtbare Integrität machte es unmöglich sich vorzustellen, dass er sich prostituierte; Patrick war bei mir, weil ich ihm Geld gab, Philip aus Dankbarkeit dafür, dass ich ihm Geld gegeben hatte.
    Patrick fragte mich, ob er für einige Zeit nach Ruanda gehen dürfte, zu helfen, wo er glaubte, am meisten gebraucht zu werden; ich erlaubte. Jedes Kunstwerk, wird mit der Zeit zu Teil der inneren Person des Besitzers, seine äussere Existenz verliert ihre Bedeutung. Es entsteht ein inneres Abbild, die Idee "Philip" schien mir zu genügen.
    Schien mir. Mit Patrick allein zu sein, abends, unbeobachtet vom jüngeren Bruder eine billigere Sorte von Liebe zu geniessen, zu dritt, zu viert, zu fünft, ergötzte mich einige Wochen lang, bis ein Zufall, eine kleine Änderung der Möblierung meines Büros, mitsichbrachte, dass das Mountain Bike um bestenfalls einen halben Meter verschoben wurde, was die Gewohnheit unsichtbar gemacht hatte, wurde wieder sichtbar, das Mountain Bike war Philip, ich brauchte ihn.
    Wie wenn im Herbst mich plötzlich das Verlangen nach dem Ginstergeruch der Toskana, oder nach einer Pizza aus einem Forno in der Altstadt Roms packt, freute ich mich, das ein Wunsch meinem Leben ein Ziel gab. Die Erstklasssitze und –hotels waren ausgebucht von denen, deren Lebenssinn ist, Menschen in Not zu helfen, doch ich rangelte mich wacker, meinem Vergnügen musste ihr Komfort hintanstehen.
    Afrika übt auf mich die gleiche Faszination aus wie eine Einladung in ein "primitives" Jagdhaus oder eine Stammburg, deren Besitzer glauben, ihr Name ersetze Warmwasser und Zentralheizung. Doch was ich antraf, und ich traf nicht zum Höhepunkt der Tragödie ein, löschte in mir die Freude, Philip zu sehen, aus; ohne Not hatte ich mich auf eine Realität eingelassen, die schlimmer war als der eigene Tod; nicht ein stummer tragischer Schmerz sondern das unvorstellbar schreckliche Leid, das die bösartige Bestie Mensch zustande bringt.
    Philip kam ins Hotel, doch nicht mehr Lust suchte ich in seinem Körper, sonder war froh, an ihn geschmiegt die Greuel der Wirklichkeit wenn nicht zu vergessen, so wenigstens nicht allein ertragen zu müssen. Am Morgen fragte er mich, ob ich ihm helfen würde, heute, und ich ging mit ihm, ihm zu helfen. Ich will über seine Arbeit nicht schreiben, seines Autismus wegen stellte er sich der Herausforderung, Leiden zu mindern gerader als wir Normalen, er tat, was er glaubte tun zu müssen, es fehlte ihm die mildernde Gewöhnlichkeit.
    Jede Handbewegung, die wir machten, schien ein Urteil, diesem zu helfen, jenem nicht, oder noch nicht, oder nicht rechtzeitig, meist Kindern, die uns mit Augen ansahen, die zugleich bald sterben oder endlich leben wollten.
    Ich half ihm einen Tag, zwei, ein paar Tage, schlief neben ihm, versuchte mit grober Befriedigung uns beide die Bilder des Tage vergessen zu lassen, erfolglos, alles, was uns blieb, war die Nähe des Andern, und dann ein kurzer Schlaf, alptraumgeplagt, aus dem wir ungern aufwachten, weil der Tag noch böser war.
    Zwei dreimal verschob ich den Rückflug, ihm beim helfen zu helfen, schien dringender, dann flog ich zurück, Termine, Aufgaben, Geschäfte schienen es zu erfordern.
    Patrick holte mich ab, verwöhnte mich, das Geschäftliche erwies sich als Vorwand, fern der Not, Bilder, Musik, gutes Essen und einen jungen Körper zu geniessen, doch ich genoss nicht. Die Leichen überwucherten alles, was ich sah, die Schreie erstickten die Musik, das Fleisch im Teller erinnerte an die verbrannten Glieder am Strassenrand.
    Mit Patrick konnte ich darüber nicht sprechen, wie ich selbst es immer gehalten hatte, half er, wenn er mit Not konfrontiert war, doch vermied er, mit Not konfrontiert zu werden. Ich verstand ihn und dachte wie er, doch die Leichen, die Schreie, die verkohlten Stümpfe
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher