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Mottentanz

Mottentanz

Titel: Mottentanz
Autoren: Lynn Weingarten
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wahrscheinlich besser wäre, wenn ich nicht im selben
Auto wie die beiden säße, weshalb ich sagte, ich würde einfach die Nacht über im Mothership bleiben. Ich habe damals immer versucht, bei Sonnenaufgang zu Hause zu sein, aber in dieser Nacht schien das wirklich sehr ungünstig. Deshalb kam Jason zu mir und verabschiedete sich von mir und sagte, er würde am Morgen wiederkommen und mich abholen und dass er das Snowboard dann ebenfalls holen würde. Und dann gab er mir nur eine schnelle Umarmung, und wir haben uns nicht einmal geküsst, weil Sean einfach nur neben uns stand und uns anglotzte. Sie liefen winkend hinaus. Und dann hielt Jason in der letzten Sekunde noch den Kopf in die Tür und sagte irgendwas davon, dass er am Morgen Waffeln mitbringen könnte, und dann bildeten seine Lippen noch ein ›Ich liebe dich‹ …« Nina schaut nach unten. »Und das war’s.«
    »Das war also das letzte Mal, dass du…«, fange ich an und schlage mir die Hand vor den Mund. Ich kann den Satz nicht zu Ende bringen.
    Nina nickt. Und holt tief Luft. Sie wischt sich schnell das Gesicht mit ihren Händen ab, weil sie ein bisschen weint, und ich wische mein Gesicht mit meinen Händen ab, weil sich herausstellt, dass ich ebenfalls ein bisschen weine. »Am nächsten Morgen rief ich Jason an und er ging nicht ran, und ich dachte, er hätte sein Handy auf lautlos gestellt oder so was. Ich rief ihn also immer und immer wieder an. Und schließlich ging seine Mutter ran.«
    Nina sieht mich an. Mein Herz presst sich in meiner Brust zusammen.
    »Sie klang am Telefon wirklich merkwürdig, es war, als
spräche ich mit einem Roboter oder so was, der darauf programmiert war, wie sie zu klingen. Ich war sehr bemüht, extra freundlich zu sein, weil ich immer das Gefühl hatte, dass sie mich nicht mochte. Ich sagte irgendwas über die Brieftasche, die sie für Jason zum Geburtstag besorgt hatte, wie nett es war und so weiter, aber sie unterbrach mich einfach. Und fragte mich, ob ich Jason die Nacht zuvor gesehen hätte, was ich bejahte. Ich erzählte, dass wir eine Geburtstagsparty für ihn gemacht hatten. Und dann sagte sie, und ich erinnere mich noch ganz exakt an ihre Worte, sie sagte: ›Nun, Nina, deine kleine Geburtstagsparty hat ihn umgebracht.‹ Und zunächst dachte ich, dass sie das nicht wörtlich gemeint hatte, sondern hatte sagen wollen, dass er richtig verkatert oder so was war, was nicht einmal irgendeinen Sinn ergab, weil er gefahren war und nie fahren würde, wenn er irgendetwas getrunken hatte. Aber dann erzählte sie all dieses Zeug über eine vorläufige Autopsie und dass sie eine Überdosis Heroin in Betracht zogen. Und durch die Art, wie sie es erzählte, war offensichtlich, dass sie glaubte, es sei meine Schuld.»
    »Aber wie konnte sie das nur glauben!«, sage ich. Ich fühle, wie mein Gesicht glühend heiß wird. Langsam werde ich sauer.
    »Ihr Sohn war gerade gestorben, Belly«, meint Nina. »Ich glaube nicht, dass man jemandem für irgendetwas , das er in so einer Situation glaubt, Vorwürfe machen kann.«
    Und ich halte inne und nicke, weil ich mich plötzlich wieder daran erinnere, dass ich bereits einen kleinen Vorgeschmack von diesem Gefühl gehabt habe, als ich dache, Nina sei tot, aber ich glaube nicht, dass ich schon richtig angefangen hatte, dieses Gefühl zu durchleben.

    Nina fährt fort. »Jasons Mom erzählte mir also, Jason sei fort, und irgendwie begriff ich immer noch nicht wirklich, was sie da sagte. Ich glaubte weiterhin, dass sie einen Fehler gemacht hatten und dass er vielleicht einfach nur schliefe! Und dann sagte sie schließlich, dass sie nun gehen müsse, und legte einfach auf. Mein Hirn explodierte geradezu, und ich erinnere mich nicht mehr viel daran, was danach passierte. Ich war in einem absoluten Ausnahmezustand und blieb bis zur Beerdigung im Mothership.
    Erst nach der Beerdigung fing ich an, über einige Dinge nachzudenken. Zum Beispiel darüber, dass Jason niemals, niemals, niemals, niemals Heroin genommen hatte und dass Sean damals etwas aus dem Internat mitgebracht hatte. Und dann dachte ich daran, wie merkwürdig sich Sean beim Leichenschmaus verhalten hatte. Ich hatte diese klare Erinnerung daran, wie er neben mir auf der Couch saß, mir über den Rücken strich und mir erzählte, wie er und ich einander brauchten, nun, da Jason tot sei. Und dass Jason sich gewünscht hätte, dass wir diese Sache hier gemeinsam durchstehen würden. Auch wenn ich fühlte, dass auf jeden Fall
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