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Mottentanz

Mottentanz

Titel: Mottentanz
Autoren: Lynn Weingarten
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hindurchbahnen. »Keine Ahnung«, sage ich. Nach allem, was meine Schwester durchgemacht hat, fühlt es sich nicht fair an. Es fühlt sich nicht fair an, sie dazu zu bringen, alles zu erklären. Aber mein Hirn hört einfach nicht auf, Fragen zu stellen.
    »Oh Belly.« Nina seufzt und legt ihren Stift hin. »Bitte frag mich doch einfach, okay? Ich weiß, du musst mich fragen, und das ist okay. Trau dich, mich einfach… zu fragen.«
    »Woher wusstest du…?«
    »Wir sind Schwestern«, antwortet sie schlicht. »Deshalb.« Und sie dreht sich zu mir um und lächelt dieses bittersüße Lächeln.
    Wir sind Schwestern . Es gibt jetzt jemanden hier, der das zu mir sagen kann.
    Ich atme tief ein. »Ich muss einfach wissen, warum«, sage ich sehr leise. Ich blicke in meinen Schoß. »Und ich weiß, dass es egoistisch ist zu fragen, nach allem, was du durchgemacht hast.«
    Nina lässt ihr schiefes kleines Gelächter heraus und schüttelt
dann den Kopf. »Ich bin nicht die Einzige, die hier etwas durchgemacht hat, Bell. Muss ich dich daran erinnern?«
    Ich schüttele den Kopf.
    »Also, du musst es wissen, und deshalb muss ich es dir erzählen. « Nina atmet tief durch. »Und schon geht’s los. Vor drei Jahren war ich auf einer Party in diesem verrückten Haus namens Mothership. Es war mitten im Sommer, aber in ihrem Hinterhof sah es aus wie mitten im Winter, weil irgendjemand eine industrielle Schneemaschine in die Finger bekommen hatte, und sie haben das Ding einfach angeschaltet und zwei Tage lang laufen lassen. Als ich zu der Party ging, spielten gerade alle draußen verrückt, einige Mädchen bauten ein Iglu und es gab Schneeballschlachten noch und nöcher und irgendein Kerl baute diesen wahnsinnigen Schneemann, der tatsächlich wie ein Mensch aussah. Ich hatte also diese Idee gehabt, mir so ein flauschiges pinkes Kleid zu machen und mein Haar hellrosa zu färben, um mich als Hostess Sno Ball 1 zu verkleiden. Das tat ich auch, und das war dann das, was ich bei der Party anhatte, aber jeder fragte mich beharrlich, ob ich Zuckerwatte oder ein rosa Pompom oder so was sei.
    Und dann kam dieser Kerl auf mich zu, wirklich süß, mit einem Snowboard unterm Arm. Und er fiel auf, noch bevor er diese aberwitzigen Snowboard-Tricks auf seiner Rampe, die sie ihm aufgestellt hatten, zum Besten gab. Wie auch immer, er drehte sich einfach zu mir um und sagte etwas, das ich nie vergessen werde, weil es das Erste war, was er je zu mir
gesagt hat: ›Eines Tages werde ich unseren Enkeln erzählen, wie ihre Großmutter, als ich sie kennenlernte, wie ein kleiner abgepackter Kuchen ausgesehen hatte.‹ Und ich weiß, das könnte leicht wie eine billige Anmache klingen, aber durch die Art und Weise, wie er es sagte, und weil es um Kuchen ging, fühlte es sich nicht billig an, sondern war einfach lustig. Und dann sah ich ihn an und meinte so was wie: ›Nun, weißt du, der Zeitpunkt, an dem wir beide Enkelkinder haben werden, liegt so weit in der Zukunft, dass abgepackte Kuchen vielleicht gar nicht mehr existieren werden‹, und er erwiderte: ›Wenn das wahr ist, sollten wir vielleicht anfangen, Vorräte zu hamstern, was meinst du, Liebling?‹ Und das war unser allererstes Gespräch.« Nina sieht mich an und lächelt.
    Ich lächle zurück.
    »Irgendwie war es das schon für mich. Danach waren wir einfach zusammen. Wir mussten nicht darüber reden oder Fragen stellen, wir… waren es einfach. Und eines Tages begann Jason, mir von seinem Stiefbruder zu erzählen und dass er irgendwie verkorkst sei und dass sie ihn aufs Internat geschickt hätten und dass er eigentlich ein guter Junge sei.« Nina schüttelt den Kopf. »Jason sah immer das Beste im Menschen. Was wohl nicht immer gut für ihn war.« Sie schaut wieder auf ihre Serviette. »Jason meinte, sein Stiefbruder hätte Schulferien, sei in der Stadt und wollte ihn treffen. Und ich war aufgeregt, wirklich. Ich meine, ich hatte doch keine Ahnung, wo das alles …« Nina schluckt heftig. »Ich hatte doch keine Ahnung, wo das alles enden würde. Sei’s drum, ich traf also Sean. Ich erinnere mich daran, dass ich gleich bei unserer ersten Begegnung dachte, dass er etwas, ich weiß
nicht, Seltsames an sich hatte. Das war aber auch irgendwie das, was ich so an ihm mochte. Weißt du, was ich meine?«
    Ich nicke. »Ich dachte dasselbe, als ich ihn traf.« Und ich lächle schief, weil das alles so lächerlich ist.
    Nina lächelt schief zurück. »Er war manchmal wirklich charmant. Charmant und verrückt,
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