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Moskito

Moskito

Titel: Moskito
Autoren: Nancy Kress
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winzigen Büro im Oberstock eines umgebauten viktorianischen Häuschens und blätterte in den Tageszeitungen von Washington, D.C., immer in der Hoffnung, irgend etwas könnte sich auftun, was ihn betraf. Das war bisher nicht geschehen. Seine hervorstechendste Aufgabe in der kommenden Woche war ein Vortrag an der hiesigen Mittelschule im Rahmen des ›Patenschaft-für-eine-Schule‹-Programms des FBI.
    Mißmutig starrte Cavanaugh in seinen Garten, der unsichtbar in der Finsternis lag. Wahrscheinlich mußte das Gras wieder gemäht werden. Er hatte noch nie in einem eigenen Haus gewohnt; während der Ehe mit Marcy hatten sie stets in Apartments in D.C. gelebt, und so war ihm nie zuvor klargeworden, wie anspruchsvoll ein Rasen sein konnte. Ganz gewiß beanspruchte ihn sein Rasen mehr als sein Job.
    »Auf zur Jagd nach dem Fingergras!« rief er in die flußwasserduftende Dunkelheit hinein. »Vor den Richter mit diesen Parasiten!«
    Er spürte einen Stich auf seinem Arm und schlug nach einer Mücke. Und nach einer weiteren. Bei der dritten flüchtete er sich ins Haus.
    »Die verdammten Biester sind so lästig, man kann nicht mal draußen auf der Terrasse stehen.«
    »Das macht der viele Regen heuer«, sagte Judy. »Der Benadryl-Juckindex ist schon hochgeschossen, aber ich …«
    »Der – was?« fragte Cavanaugh.
    Sie grinste ihn an. »Der Benadryl-Juckindex. So etwas gibt es tatsächlich.«
    »Das glaube ich dir aufs Wort«, sagte Cavanaugh übellaunig. Es paßte zu allem anderen: noch nirgendwo hatte er so viele überfahrene Tiere auf den Straßen gesehen wie im Saint Mary’s County; bei der Schweinezucht im Staat Maryland nahm Saint Mary’s den zweiten Platz unter allen Distrikten ein; und man achtete hier allen Ernstes auf einen Juckindex.
    »Jedenfalls«, fuhr Judy fort, »ist es ganz gut, daß du wieder hereingekommen bist, weil ich möchte, daß wir miteinander reden.« Sie legte das Strickzeug in den Schoß und sah ihn an.
    Augenblicklich wünschte sich Cavanaugh, woanders zu sein. Er liebte Judy. Sie war ihm sehr wichtig. Sie war intelligent, hübsch, sexy, warmherzig … Darüber hinaus hatte sie einen Erwerbstrieb, der nur mit jenem der Medici zu vergleichen war. »Wild bei der Jagd und so besitzergreifend …« Cavanaugh hatte das College mit einem Diplom in englischer Literatur abgeschlossen – eine Tatsache, die er sich bemühte, vor seinen Kollegen beim FBI nicht zu erwähnen.
    Als er nun Judy ansah, die zusammengerollt in einer Ecke des Sofas kuschelte, fragte sich Cavanaugh wieder einmal, wo in diesem kleinen Körper sie all den Stahl unterbrachte: keine einssechzig groß, fünfundfünfzig Kilogramm, wenn es hochkam; das rote Haar trug sie momentan jungenhaft kurzgeschnitten, und so sah sie aus wie fünfundzwanzig und nicht wie sechsunddreißig. Sie war so verschieden von Marcy, seiner Exfrau, wie zwei Frauen nur sein konnten. Nicht, daß ihm das als Nachteil erschienen wäre …
    »Robert«, sagte Judy, die braunen Augen auf sein Gesicht geheftet, »wir sind jetzt seit zwei Jahren zusammen …«
    »Nein, erst ungefähr achtzehn Monate«, unterbrach er sie hastig.
    »Ich rechne von unserer ersten Verabredung an, als du …«
    »Aber in diesen ersten sechs Monaten haben wir einander doch kaum gesehen. Du warst in Boston und ich in Washington, D.C., und …«
    »Robert, die genaue Anzahl der Monate ist nicht ausschlaggebend. Also: wir leben jetzt seit länger als einem Jahr zusammen …«
    Das ließ sich nun schlecht bestreiten. Er schwieg.
    »… und es ist an der Zeit, darüber nachzudenken, in welcher Richtung es mit uns weitergehen soll.«
    »Warum sollten wir uns denn über irgendeine Richtung Gedanken machen?«
    »Weil ich dich liebe. Weil ich eine dauerhafte Bindung mit dir eingehen möchte.«
    »Judy, Liebes … nichts ist wirklich dauerhaft.« Herr im Himmel, sie von allen Menschen sollte das doch wissen! Ihr Mann, ein Mikrobiologe von herausragendem Ruf, war ermordet worden; Cavanaugh hatte sie kennengelernt, als er den Fall – seinen ersten – bearbeitete. »Wir waren beide schon einmal verheiratet, und keine unserer Ehen hat allzugut funktioniert, und …«
    »Aber du bist nicht Ben, und ich bin nicht Marcy! Und ich habe es langsam satt, für Marcys Sünden zu büßen!«
    Cavanaugh ging zur Anrichte und goß sich einen frischen Wodka mit Tonic ein, in erster Linie, um Zeit zu gewinnen. Er ließ einen Eiswürfel hineinfallen, den er aus dem für Judys Eistee gefüllten Kübel auf dem
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