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Moskito

Moskito

Titel: Moskito
Autoren: Nancy Kress
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glücklich sein wie bei der Organisierten Kriminalität«, sagte Judy, und Cavanaugh entspannte sich wieder.
    Er war vor vier Monaten von der Abteilung Organisiertes Verbrechen und Bandenbildung im Hauptquartier des FBI zu einer Außenstelle versetzt worden. Nein, ›versetzt‹ war nicht das richtige Wort; es hatte sich um einen gottverdammten Tritt gehandelt!
    Die FBI-Bestimmungen waren in diesem Punkt ganz klar: »Ab der Vollendung des vierten Dienstjahres bis zur Vollendung des zehnten Dienstjahres an ein und derselben Dienststelle kann ein Special Agent bei entsprechendem Personalbedarf für eine unfreiwillige Versetzung an eine andere Dienststelle ausgewählt werden.« Soweit war daran nichts auszusetzen. Cavanaugh war durchaus geneigt, dem FBI einen entsprechenden Personalbedarf einzuräumen; Cavanaugh war – etwas – länger als vier Jahre und weniger als zehn in Washington gewesen; Cavanaugh war auch willens, neue Funktionen auszuüben, neue Fertigkeiten zu erlernen, neue Vorgangsweisen zu probieren.
    Aber als für Maryland-Süd zuständiger Agent?
    »Du bist Stellvertretender Leitender Special Agent«, sagte Judy besänftigend.
    »Bei zwei vorhandenen Dienstposten! Und Donald Seton ist ein Idiot! Ich bin der einzige echte arbeitende FBI-Agent an einem Ort, wo das größte Staatsverbrechen der Zustand der Straßen ist!«
    Judy lachte, und ihre Stricknadeln klapperten. Das Geräusch irritierte Cavanaugh. Sie lebten jetzt seit mehr als einem Jahr zusammen, und erst kürzlich hatte Judy zu stricken begonnen. Als freiberufliche Wissenschaftsjournalistin konnte sie überall arbeiten und hatte daher den Umzug von Washington, D.C., nach Rivermount mit Gleichmut hingenommen. Nein – mit Wonne. Der Anblick, wie sie in dem kleinen Haus, das sie beide gemietet hatten, Vorhänge drapierte, Stoffmuster verglich und kleine neugekaufte Teppiche auslegte – sie hatte sogar das Haus ausfindig gemacht, weil sie in die Aussicht über den Patuxent-Fluß verliebt war – dieser Anblick machte Cavanaugh zutiefst nervös. Es sah alles so … heimelig aus. Und jetzt auch noch diese Strickerei! Er hatte es bisher vermieden zu fragen, was das purpurrote Ding einmal werden sollte.
    Nicht fähig stillzusitzen, öffnete er die gläserne Schiebetür und trat hinaus auf die winzige Terrasse aus Eibenholz. Hier, außerhalb der Klimaanlage, bebte die Juninacht vor Hitze und Duft. Es roch nach Geißblatt – es schien ihm, als würde ganz Maryland nach Geißblatt riechen – und nach den sumpfigen Ufern des Flusses unten am Fuß des Steilabfalls. Es roch nach Intrigen, die die Sinne weckten und das Blut in Wallung brachten, nach Mysterien, nach Überraschungen … Der Duft war eine Lüge; nichts Überraschendes passierte je in Rivermount, Maryland.
    Rivermount, eine kleine Stadt direkt an der Grenze zwischen zwei Distrikten – Saint Mary’s County und Charles County –, war nicht ganz dreißig Kilometer von Cavanaughs neuem FBI-Büro in Leonardtown entfernt. Es handelte sich tatsächlich um ein neues Büro; bis jetzt hatte das FBI keine ›niedergelassene Agentur‹ – die offizielle Bezeichnung für Außenstelle – in Maryland-Süd unterhalten. »Das ist ab nun Teil unserer verstärkten Präsenz auf Gemeindeebene«, hatte Jerry Dunbar, sein neuer Vorgesetzter, erklärt. »In den drei südlichen Distrikten existiert keine einzige FBI-Repräsentanz, und der Marinefliegerstützpunkt ›Patuxent River‹ verlangt unsere verstärkte Aufmerksamkeit, wofür Don sorgen wird. Sie, Robert, kümmern sich um den Rest des Gebietes. Sie werden damit Neuland erschließen.«
    Eine feine Sache für den Leitenden Special Agent Dunbar, denn er sollte die Leitung der Dienststelle Baltimore übernehmen. Baltimore, wo immer etwas ablief. In Maryland-Süd lief nie etwas ab, jedenfalls nicht außerhalb des Marineflieger-Stützpunktes. Und jedenfalls nichts, was dem ›niedergelassenen Agenten‹ Robert Cavanaugh irgendeine Initiative abverlangte. Die Bosse der ernsthaften Kriminalität frequentierten einfach keine Salzsümpfe, Naturparks oder Tabakfarmen, die zusehends von Golfplätzen verdrängt wurden.
    Cavanaughs neuerworbenes, verschlafenes Lehen war eine riesige Halbinsel, gebildet von den Flüssen Patuxent und Potomac, die sich mit ihren weitläufigen Deltas in die Chesapeake Bay ergossen. Jeden Tag fuhr Cavanaugh von Rivermount nach Leonardtown (1683 Einwohner), dem Sitz der Distriktsverwaltung von Saint Mary’s County. Dort saß er in seinem
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