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Mortlock

Mortlock

Titel: Mortlock
Autoren: Jon Mayhew
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Hände und marschierte wieder hinaus. Nachdem sie die Tür hinter sich zugezogen hatte, blieb sie zögernd im Flur stehen.
    Soll ich?
, überlegte sie. Dann kauerte sie sich vor das Schlüsselloch.
    »Wunderbar«, hörte sie Tante Mag flöten, obwohl sie kaum etwas sehen konnte. »Die kleine Josie ist in ihrem Zimmer, wir sind also unter uns.«
    »Was wollen Sie?«, fragte Cardamom. Jedes Wort tropfte wie geschmolzenes Blei von seinen Lippen. Josie krampfte sich der Magen zusammen. So schwer und träge hatte sie ihn noch nie reden hören.
    »Wollen? Oh nein, Mr Chrimes. Wir leben nur, um zu dienen. Unser Dasein ist bescheiden. Falls Sie jedoch wissen möchten, was unser
Herr
will – nun, das wäre etwas Anderes.«
    »Euer Herr?«, wiederholte Cardamom. Josie spürte, wie ihr Herz pochte.
    »Nun, Lord Corvis natürlich.« Tante Mags Stimme wurde weicher. »Er hat unseren zerstörten Körpern neues Leben eingehaucht und uns zu dem gemacht, was wir heute sind.«
    »Wo ist sie?«, hörte Josie Tante Veronica fauchen. »Sie haben Ihren alten Freund hintergangen, nicht wahr?«
    »Nein!«, protestierte Cardamom. »Er hat sich alles selbst zuzuschreiben. Es war nicht meine Schuld! Ich hatte niemals vor …«
    »Was hatten Sie niemals vor?«, zischte Tante Mag. »Die Amarant zu stehlen?«
    Josie drückte ihr Gesicht dichter ans Schlüsselloch. Die Amarant! Davon war in dem Brief die Rede gewesen.
    »Was?«, stöhnte Cardamom. »Ich habe sie nicht gestohlen. Wir haben einen Schwur geleistet. Wir alle.«
    »Nun, einer davon hat sich nicht daran gehalten«, sagte Tante Mag wie eine Gouvernante, die einen kleinen Jungen schalt. »Denn als Lord Corvis nach ihr sehen wollte, war die Amarant verschwunden. Und wenn es nicht Lord Corviswar, der sie genommen hat, müssen Sie oder Mortlock es gewesen sein.«
    »Warum machen wir ihm nicht einfach den Garaus?«, flüsterte Tante Veronica. »Ich mag dieses Haus nicht. Und ich habe Hunger!«
    »Geduld, Schwester«, erwiderte Tante Mag. »Du weißt doch, wenn wir ihn jetzt töten, werden wir die Amarant vielleicht niemals finden. Und Lord Corvis hat uns versprochen, dass er uns mit ihrer Hilfe wieder richtig lebendig macht, wenn wir sie ihm bringen.«
    Josie schnappte erschrocken nach Luft.
Ihm den Garaus machen?
Wer waren diese hässlichen Vogelscheuchen, und wieso wollten sie ihren Vormund töten?
    »Ich weiß, aber –« Tante Veronicas Stimme riss sie aus ihren Gedanken.
    »Willst du wieder zurück zu dem, was du vorher warst? Die Amarant wird uns das volle Leben zurückgeben. Das ist das Einzige, was zählt. Mortlock ist spurlos verschwunden. Nur Chrimes ist noch übrig. Er wird uns alles sagen, was wir wissen müssen.«
    Josie sah, wie Tante Jay den Kopf Richtung Tür wandte. »Und was ist mit dem Mädchen?«, fragte sie. »Sie ist ziemlich lästig …«
    »Nein«, entgegnete Tante Mag. »Sie könnte uns noch nützlich sein. Falls der hier sich weigert zu reden, können wir vielleicht aus ihr etwas herausquetschen –«
    »Alles meine Schuld«, murmelte Cardamom unvermittelt. »Ich habe es nicht anders verdient …«
    Josie richtete sich auf. Am liebsten wäre sie hineingestürzt und hätte ihren Vormund gerettet, aber was konnte sie schon tun? Mit einem letzten Blick zur Tür schlich sie nach oben.
Das ergibt alles keinen Sinn
, dachte sie.
Sie haben von Corvis
und Mortlock gesprochen. War Mortlock nicht der, der den Brief geschrieben hat? Aber er ist verschwunden, sagen sie. Und was hat es mit der Amarant auf sich?
    Josie überlegte fieberhaft. Sollte sie fliehen und Hilfe holen? Aber sie musste auf ihren Vormund aufpassen. Die Tanten sahen zwar alt und gebrechlich aus, aber sie hatten vor, ihn zu töten, falls sie nicht bekamen, was sie haben wollten. Vielleicht waren im Tagebuch und in den Briefen weitere Hinweise, aber die lagen auf dem Fußboden neben Cardamoms Sessel.
    Es klopfte an der Haustür.
    Josie lief die Treppe hinunter, doch Tante Jay war bereits an der Tür, und als Josie unten ankam, tauchte Tante Mag hinter ihr auf und packte sie so fest am Arm, dass sie zusammenzuckte. Tante Mag war viel stärker, als es zu so einer alten Frau passte, und sie zerrte Josie wieder nach oben. Josie versuchte, den Kopf zu drehen und zu sehen, wer da gekommen war, doch Tante Mag schob sich dazwischen. Aber die Stimme erkannte sie.
    Es war Mrs Yates. »Krank, sagen Sie?«
    Josie holte Luft, um zu schreien, doch Tante Mag presste ihr die kalte, klamme Hand fest auf den Mund.
    »Ja, ein
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