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Mortlock

Mortlock

Titel: Mortlock
Autoren: Jon Mayhew
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gestellt. Jetzt war es heraus.
    Cardamoms trübe Augen starrten sie an, erst ungläubig, dann wütend. »Niemand. Er ist fort, hörst du? Vergiss ihn.« Er ließ sich wieder in den Sessel fallen und fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht. Doch nun, da Josie mit dem Fragen angefangen hatte, konnte sie nicht mehr aufhören.
    »Onkel, was ist los? Warum bist du so wütend?« Sie richtete sich auf, bereit, sich seinem Zorn zu stellen. Auf einmal packte sie unbändiges Verlangen, endlich die Wahrheit zu erfahren.
    »Nichts. Herrgott noch mal, Mädchen, lass mich in Frieden!«
    »Irgendetwas ist faul. Und zwar schon seit Jahren.« Josie spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg. »Ich bin kein Kind mehr. Sag’s mir.«
    »Geh in dein Zimmer!«, donnerte Cardamom, packte sein Glas und schleuderte es zu Boden, dass die Scherben nur so durch die Luft flogen. Josie sprang zurück. Überall lagen Glasstückchen, in denen sich die Flammen des Kaminfeuers spiegelten. Plötzlich klingelte es an der Tür.
    Cardamom warf Josie einen warnenden Blick zu. Dann deutete er mit zitternden Fingern Richtung Haustür.
    »Mach auf«, sagte er gepresst.
    Josie raffte ihren Rock und lief hinaus in den Flur. Draußen fuhr sie sich durchs Gesicht und strich ein paar Haarsträhnen hinter die Ohren.
Beruhige dich
, ermahnte sie sich.
Reiß dich zusammen
. Dann ergriff sie die schwere Messingklinke und öffnete die Tür.





Nimm du den weißen Hals zum Schmaus,
    Ich pick ihm die treublauen Augen aus,
    Und mit einer Goldlocke, die er uns lässt,
    Flicken wir unser löchriges Nest.
    Die zwei Raben
(The Two Ravens)
,
altes Volkslied

3. KAPITEL

Unerwünschte Besucher
    Drei hagere alte Damen standen draußen in der Winterkälte, die Gesichter von tiefen Schatten durchzogen. Josie überlief ein Schauer. Alle drei hatten funkelnde schwarze Augen, lange, gebogene Nasen und zu einem Strich zusammengepresste Lippen. Ihre schwarzen Ringellocken wippten bei jeder Kopfbewegung. Ihre Größe war das Einzige, woran man sie unterscheiden konnte. Sie trugen steife schwarze Kleider aus Seide und Spitzen, die raschelten, als sie näher traten.
    »Was für ein bezauberndes Mädchen!«, krächzte die Größte und beugte sich über Josie. Josie zuckte zurück, als die Fremde mit einem langen krallenartigen Fingernagel ihr Gesicht anhob. »Wie alt bist du? Zwölf? Dreizehn?«
    »Und so schönes Haar, wie gesponnenes Gold«, sagte die Kleinste und trat über die Schwelle. »Wir möchten mit deinem Vormund sprechen.«
    »Ist der Große Cardamom zu Hause?«, fragte die Mittlere. Josie wich zurück, als die drei sich an ihr vorbeidrängten.
    »Ich bin Tante Mag.« Die Größte der drei Alten packte Josies Schultern und versuchte, sie zu umarmen. Josie wurde stocksteif.
    »Tante Veronica«, sagte die Zweite mit einem Knicks.
    »Tante Jay.« Die Kleinste legte den Kopf schief. Josie konnteihr Spiegelbild in den dunklen Augen der Frau sehen. »Wir werden uns bestimmt wunderbar verstehen, meine Liebe!«
    Die Haustür knallte ins Schloss. Josie war umzingelt und wusste nicht, was sie sagen sollte. Die Nähe der Frauen war ihr unangenehm, und ihr gefräßiges Lächeln zwang ihren Blick zu Boden.
Drei schwarze Krähen
, dachte sie. Die Alten beäugten sie gierig, als wäre sie die Beute für ihr nächstes Mahl.
    »Verzeihen Sie, meine Damen, aber ich kann mich nicht erinnern, Sie hereingebeten zu haben«, sagte Josie. Die drei Tanten zogen die Brauen hoch und fixierten sie mit ihren schwarzen Knopfaugen. Dann neigten sie gleichzeitig den Kopf zur Seite.
    »Aber wir gehören sozusagen zur Familie, liebes Kind.« Tante Mag trat einen Schritt vor, was Josie zurückweichen ließ.
    »Wir müssen unbedingt den Großen Cardamom sprechen. Er wird hocherfreut sein!«, krächzte Tante Veronica und rückte ebenfalls näher. Josie wich erneut zurück.
    »Es ist schon so lange her!«, keckerte Tante Jay. Josie spürte die Tür zum Wohnzimmer an ihrem Rücken.
    »Nun sei ein braves Mädchen und sag uns, wo er ist.« Tante Mag blies Josie ihren säuerlichen Atem ins Gesicht. Josie zog eine Grimasse und wandte das Gesicht ab.
    Plötzlich gab die Tür hinter ihr nach, und sie stolperte in die Arme ihres Vormunds.
    »Josie?«, sagte er und spähte an ihr vorbei auf die drei alten Frauen. »Was ist los? Wer sind die Damen?«
    Josie richtete sich auf, doch die Tanten stießen sie erneut beiseite und stürzten sich auf Cardamom.
    »Du musst dich doch an uns erinnern, Edwin!«, krächzteTante
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