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Morland 03 - Das Vermächtnis der Magier

Titel: Morland 03 - Das Vermächtnis der Magier
Autoren: Peter Schwindt
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zu sein. Der livrierte Portier, der sonst immer die Gäste begrüßte, hatte – aus verständlichen Gründen – seinen Posten verlassen. Hakon stieß mit der Schulter die Tür auf.
    Die weitläufige, nun menschenleere Eingangshalle war in ein diffuses Licht getaucht. Hakon richtete einen umgefallenen Ohrensessel auf und setzte Mersbeck darauf ab.
    »Wie geht es ihm?«, fragte York.
    Hakon runzelte die Stirn und lauschte in sich hinein. Er schüttelte den Kopf. »Nicht gut. Es ist ein Wunder, dass er überhaupt noch lebt.«
    Mersbeck kniff die Augen zusammen und schnaufte wie ein Boxer, der einen schweren Treffer nach dem anderen einstecken musste. Sein Hemd war durchgeschwitzt, das dünne, schwarze Haar klebte an seinem schmalen Kopf. Hakon öffnete das Halstuch und knöpfte den Kragen auf, damit der Doktor besser atmen konnte. Aber es half nichts: Mersbeck rang keuchend nach Luft, die Pausen zwischen den Atemzügen wurden immer länger. Hakon wollte gerade auch noch die Hemdknöpfe öffnen, als sich Mersbeck mit schreckverzerrtem Blick aufbäumte und zu atmen aufhörte.
    »Er stirbt!« Bevor York etwas sagen oder gar eingreifen konnte, nahm Hakon Mersbecks Kopf in beide Hände und schloss die Augen. Der Sturm ineinanderwirbelnder Gefühle überwältigte ihn. Für viele, die gegen ihren Willen in das Kollektiv hineingezogen wurden, waren die körperlichen Veränderungen ein Schock gewesen. Am ehesten ließ sich dieses Erlebnis mit der Erfahrung eines von Geburt an Blinden beschreiben, der unvermittelt sein Augenlicht wiedergewinnt. Hinzu kamen Panik und Trauer. Die meisten hatten mit ansehen müssen, wie nahestehende Menschen nach dem Kontakt mit der Blume zusammengebrochen und gestorben waren. All diese Gefühle drohten nun auch Hakon zu überwältigen.
    Er befand sich an einem Abgrund, an dessen Rand sich Jan Mersbeck mit letzter Kraft festhielt. Unter ihm wogte eine Menschenmasse, die drohend die Hände zu ihm emporreckte. Mersbeck klammerte sich an einen vorstehenden Felsen, doch seine Finger rutschten langsam ab. In dem Moment, als Mersbeck den Halt verlor, ergriff Hakon seine Hand und öffnete die Augen.
    Mersbeck packte Hakon am Hemd und schnappte nach Luft wie ein Mensch, der beinahe ertrunken wäre. Sie befanden sich wieder in der Lobby des Esplanade .
    »Ich weiß nicht, wie du das gemacht hast«, flüsterte Mersbeck rau und lockerte seinen Griff. »Aber ich glaube, ich muss mich bei dir bedanken. Das war knapp.« Er sank zurück in den Sessel und wischte sich mit zitternder Hand eine feuchte Strähne aus der Stirn.
    York starrte Hakon fassungslos an. »Du hast dich mit ih m … ich meine, ihr seid zusamme n … Verdammt, das hätte übel für dich ausgehen können!«
    »Ich musste das Risiko eingehen«, sagte Hakon. »Er wäre sonst gestorben.«
    »Jan Mersbeck ist ein Eskatay«, rief York aufgebracht. »Und du weißt: Die sähen uns am liebsten tot.«
    »Nein«, erwiderte Mersbeck erschöpft. »Da irrst du dich. Begarell will euch lebend.«
    »Hör zu, wir müssen aufhören, in Kategorien zu denken: Eskatay, Gist, Mensch – das alles sollte nicht zählen«, sagte Hakon.
    »Ach wirklich? Nun, der Präsident ist nicht gerade jemand, mit dem ich bei einer Tasse Tee die Weltlage diskutieren möchte«, sagte York kühl. »So viel dazu.«
    »Ich glaube auch kaum, dass Präsident Begarell einen gemütlichen Plausch mit dir halten würde, wenn du in seiner Gewalt wärst«, sagte Mersbeck. »Ihn interessiert mehr das, was die Gist von den Eskatay trennt, und nicht, was sie verbindet.«
    »Und Sie?«, fragte York.
    »Ganz ehrlich? Mich auch.«
    York schnaubte verächtlich.
    »Aber deswegen würde ich nicht zum äußersten Mittel greifen«, fuhr Mersbeck fort. »Ihr seid die letzten Nachfahren jener magisch Begabten, die den Krieg vor sechstausend Jahren überlebten. Die Gist können diese Gabe an ihre Kinder weitervererben. Diese Vollkommenheit hat Begarell noch nicht erreicht. Es ist etwas, worum er euch aufrichtig beneidet.«
    »Und deswegen gehen Sie über Leichen?«, fuhr ihn York wütend an.
    Mersbecks Gesicht verfinsterte sich. »Nichts rechtfertigt die Toten draußen in den Straßen.«
    »Dann verlassen Sie das Kollektiv«, sagte Hakon. »Es dient ohnehin nur Begarells Plänen.« Mersbeck wollte etwas darauf erwidern, aber Hakon schnitt ihm das Wort ab. »Sie wissen es und ich weiß es deswegen auch.«
    »Ah, richtig, du bist ein Telepath«, sagte Mersbeck. »Es gibt Gründe, weshalb ich das Kollektiv
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