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Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)

Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)

Titel: Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)
Autoren: Jennifer Wolf
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ihm entgegengelaufen sind und ich muss lächeln. Gaia hat uns Frauen zu den Anführern ihrer neuen Welt gemacht, weil sie selbst eine ist. Die Göttin lehrte uns, dass es die Mütter sind, die diese Welt braucht. Sie schenken Leben, erhalten und pflegen es mit aller Hingabe. Sie ernähren und kleiden ihre Familien … halten alles am Laufen. Dieses System der Familie hat die Göttin auf die große Gemeinschaft übertragen. Ungefähr dreitausend Menschen leben in Hemera und dem Rest der sicheren Zone. Geleitet von uns Hüterinnen, als Mütter der Gemeinschaft. Unsere Töchter nehmen unsere Plätze ein, während die Söhne der Ordensschwestern in Hemera ihren Platz finden.
    Für mich gilt es nun ebenfalls, meinen Platz zu finden. In einer anderen Welt.
    »Sag mal Mama, darf ich überhaupt irgendetwas mitnehmen?«, frage ich am nächsten Morgen und blicke hilflos in meinem Zimmer umher. Zusammen mit meiner Mutter bewohne ich eine kleine Wohnung im Orden der Hüterinnen. Das alte Gemäuer steht am Waldrand, so dass wir jederzeit hinausgehen und in der Stille der raschelnden Bäume zu Gaia beten können. Auf der anderen Seite befindet sich eine Straße, die von einer kleinen Siedlung zur Stadt führt. Von meinem Zimmer aus kann ich die Menschen beobachten, die dort tagein und tagaus vorbeilaufen, um in Hemera ein paar Dinge zu erledigen oder arbeiten zu gehen. Unsere Wohnung ist klein. Es gibt nur zwei Schlafzimmer, ein Bad und ein Wohnzimmer. Die Küche ist ein Gemeinschaftsraum für alle Ordensschwestern.
    »Natürlich, Schatz.« Meine Mutter kommt herein und schmeißt eine große Reisetasche auf mein Bett. »Kleidung brauchst du nicht unbedingt, aber persönliche Dinge wie Fotos oder sonstige Sachen, an denen dein Herz hängt, kannst du hier hineinpacken.« Meine Mutter hat die gleichen roten Haare wie ich und auch ihre Augen sind grün. Da enden unsere Ähnlichkeiten aber auch schon, denn alles andere habe ich wohl von meinem Vater. Wer immer er sein mag. Mama spricht nie von ihm, genau wie die anderen Frauen im Orden. Ich starre die Tasche an und überlege, ob mein ganzes Leben dort hineinpasst. Zum Glück lenkt mich ein Klopfen an der Wohnungstür von den Gedanken ab.
    »Das wird Iria sein«, sage ich. Meine Freundin will mir beim Packen helfen und die letzte Nacht auf Erden bei mir bleiben. Ich renne zur Tür und falle ihr um den Hals.
    »Oh Maya«, sagt sie gedämpft von meinen Haaren.
    »Komm erst mal rein.« Ich löse mich von ihr und ziehe sie sanft in unsere Wohnung. Nachdem ich die Tür geschlossen habe, fallen wir uns erneut in die Arme.
    »Du wirst mir so fehlen«, meint meine Freundin und ich muss schlucken. Ein Leben lang waren wir darauf vorbereitet worden und dennoch hatte es uns vor einem Jahr vollkommen unverhofft getroffen: Wir werden einander nie wieder sehen. Iria bleibt auf der Erde. Wenn sie nicht im Orden bleibt, nimmt sie sich vielleicht einen Mann. In jedem Fall bekommt sie ein paar Kinder; erleidet Geburtsschmerzen und Krankheiten, während ich mein Leben mit einem mir noch unbekannten, fremden Gott verbringen werde. Iria wird alt und gebrechlich werden. Ich werde nach hundert Jahren - immer noch jung und äußerlich neunzehn Jahre alt einfach tot umfallen. Jedenfalls glauben wir Hüterinnen das. Es gibt keinerlei Aufzeichnungen darüber, was mit den Frauen der Jahreszeiten nach den hundert Jahren geschehen ist. Wie muss das wohl für den Gott sein? Was wenn er sich ernsthaft und unwiderruflich in seine Gefährtin verliebt und sie dann für immer verliert? Wie ertragen Gaias Söhne das? Oder macht es ihnen überhaupt nichts aus? Kennen sie vielleicht gar keine Liebe? Mein Herz beginnt schon wieder panisch zu rasen, also atme ich tief durch und lenke mich ab.
    »Komm, hilf mir mein Leben in eine Reisetasche zu quetschen, ja?«, sage ich zu Iria und drücke sie sanft von mir weg.
    Am Abend ist nicht viel in meiner Tasche gelandet. Ein paar Fotos, ein paar meiner liebsten Kleidungsstücke, die ich nicht missen möchte, und mein Musik-Chip samt der dazugehörigen Kopfhörer. Gedankenverloren streiche ich mit den Fingern über meinen ausgewaschenen Lieblingspullover und muss schlucken.
    »Ich werde dort vor Heimweh umkommen«, spreche ich laut aus, was mir durch den Kopf geht. Iria steht hinter mir und legt mir ihre Hände auf die Schultern. Seufzend lehnt sie ihren Kopf an meinen Nacken.
    »Und ich werde dich so sehr vermissen«, flüstert sie mit belegter Stimme und räuspert sich.
    »Hätte
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