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Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)

Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)

Titel: Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)
Autoren: Jennifer Wolf
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Ausschnitt und suchte mit den Augen nach meiner Mutter. Irgendwo in dem Kreis aus Frauen um uns herum musste sie sein. Doch es war mittlerweile so dunkel, dass ich eine Weile brauchte, um ihr Gesicht zu entdecken. Sie lächelte mir zu und zwinkerte. Ich presste meine Lippen aufeinander und atmete tief durch. Sollte die Wahl auf mich fallen, würde meine Mutter automatisch im Rang aufsteigen. Dennoch war ich mir nicht so sicher, ob sie das überhaupt wollte. Bevor wir in den Wald gegangen waren, hatte sie mir zugeflüstert, dass ihr der Preis für diesen Aufstieg zu hoch erschien.
    Aber uns blieb keine andere Wahl. Gaia war eine Göttin und es gab keinen Ausweg für uns. Ich musste mich ihr stellen, nur war ich mir unsicher, was ich wollte. Wenn ich ihre Söhne doch nur schon kennen würde - das hätte alles so viel einfacher gemacht. Aber im Grunde waren sie noch schlimmer dran als wir. Wir hatten zwar keine Wahl, ob wir mit Gaia mitgehen wollten oder nicht, aber immerhin konnte die Auserwählte sich einen von den Jahreszeiten aussuchen. Die Söhne der Göttin mussten nehmen, was sie bekamen. Ich schluckte, da kam ja was auf mich zu.
    »Ich würde Aviv nehmen«, sagte Iria und ein paar Mädchen neben uns stimmten ihr zu.
    Aviv, der Frühling, hatte nach unseren Aufzeichnungen neben dem Sommer die meisten Frauen abbekommen. Nur eine war zu Jesien, dem Herbst, gegangen und bisher hatte sich keine Frau für ein Leben in ewiger Kälte entschieden. Aus diesem Grund machte mir der Gedanke an Nevis auch ein wenig Angst. Mit einem unguten Gefühl im Bauch hatte der Orden deswegen schon seit vielen Jahren bemerkt, dass die Winter immer härter und länger wurden.
    »Was ist, wenn sie die Auserwählte nicht mögen?«, fragte ich und verschränkte zitternd vor Aufregung die Arme vor der Brust. »Ich meine, da opfert sie ihr Leben und die Götter finden sie womöglich ganz furchtbar.«
    »Ich verstehe nicht, warum nicht einfach vier Frauen mit nach oben gehen«, grübelte Iria laut. »Dann würde jede Jahreszeit eine Gefährtin bekommen.« Sie lächelte und stupste mich an. »Außerdem ist das kein Opfer, sondern eine Ehre.« Ihr Zwinkern verriet mir, dass sie mich nur aufziehen und nicht belehren wollte, weshalb ich zurücklächelte.
    »Ich wüsste nicht, wen ich nehmen würde«, griff ich ihren Gedanken von vorhin auf. »Zum Glück darf man sie vorher alle kennenlernen.«
    »Wie sie wohl aussehen?«, grübelte meine Freundin.
    »Sie sind Götter! Natürlich sehen sie blendend aus«, rief Mishandra dazwischen. Sie war meine Nachbarin im Orden und ich konnte sie nicht so recht leiden. Ständig musste sie im Mittelpunkt stehen und ich beneidete sie ein wenig um ihr Selbstbewusstsein.
    Der Gesang um uns verstummte mit einem Mal und Iria und ich griffen uns wieder an den Händen. Ein Wirbel aus Luft tanzte plötzlich mitten unter uns jungen Schwestern und wir wichen ehrfürchtig zur Seite. Ich bemerkte die Lichtkugel über uns erst, als sie schon an den Baumwipfeln vorbei war. Langsam, aber mit einer surrenden Energie, bewegte sie sich auf den kleinen Luftwirbel zu. Sie verschmolzen miteinander in einer Explosion aus Farben. Instinktiv hielt ich mir die Hände vors Gesicht und hörte, wie die Frauen um mich herum einen Laut des Erstaunens von sich gaben. Es war Iria, die meine Hände herunternahm und eine davon wieder fest umschloss. Langsam öffnete ich die Augen und sah auf die kleine Frau, die plötzlich mitten unter uns stand. Ihre braunen Haare waren tatsächlich in einem langen Zopf verflochten, dazwischen rankten sich die verschiedensten Blumen, welche zu leben schienen. Sie bewegten sich mit Gaia, verdeckten ihre Blöße und bildeten eine Art Kleid. Direkt unter Gaias Füßen wuchs ihr das Gras in Sekundenschnelle fast bis zu den Knien hinauf.
    »Mutter aller Dinge«, ergriff Elaria, unsere oberste Hüterin, das Wort. »Wir grüßen dich.«
    Wir alle verneigten uns.
    »Erhebt euch, meine Töchter«, erklang eine junge, melodiöse Stimme.
    Ich sah zu Gaia und richtete mich auf. Ihre Augen schimmerten in allen Farben des Regenbogens. Ich merkte erst, dass mir der Mund offenstand, als mir eine Windbrise die Zunge austrocknete. Mein Herz raste … all die Jahre war ich im Glauben an Gaia erzogen worden und nun stand sie wahrhaftig vor mir. Ich schloss meinen Mund und schluckte. Iria zog mich näher an sich heran, als Gaia anfing sich umzusehen.
    »Wunderschön«, hauchte die Göttin und trat aus dem hochgewachsenen Gras
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