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Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)

Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)

Titel: Morgentau. Die Auserwählte der Jahreszeiten (German Edition)
Autoren: Jennifer Wolf
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an das Buch in meinen Händen erinnere. Ars amatoria von Ovid. Ein sehr altes Werk, das auf lustige Art und Weise von der Liebe zwischen Mann und Frau berichtet. Anscheinend habe ich meine Nachtlektüre für die kommenden beiden Tage bei Gaia gefunden. Ich lege es vorsichtig beiseite, aus Angst, dieses antike Werk zu beschädigen und beginne damit, unruhig im Zimmer herumzulaufen, bevor ich mich schließlich auf das Bett werfe. Decke, Kissen und Matratze sind so unheimlich weich und bequem, dass ich einfach liegen bleibe.
    Als es an der Tür klopft, setze ich mich hastig auf und versuche mein Äußeres schnell durch Glattstreichen meiner Haare und Kleidung zu korrigieren. Gaia tritt ein und lächelt.
    »Das Essen ist angerichtet.« Sie mustert mich genau. »Wenn du magst, darfst du vorher noch in etwas Bequemeres schlüpfen.«
    Ich mustere mein weißes Kleid und lächele. Eine Hose wäre mir jetzt bedeutend lieber. Ich würde mich wohler darin fühlen.
    »Nach dem Essen kannst du dich frei im Haus bewegen und dich gerne mit meinen Söhnen unterhalten.«
    »Vielen Dank für deine Gastfreundschaft, Gaia.«
    Sie lächelt wieder. »Nur bleib bitte im Haus, Maya. Du würdest die Welt außerhalb dieser Mauern nicht verstehen.«
    Ich sehe hinaus zu dem Kirschblütenbaum und nicke. Vermutlich herrschen in Gaias Welt ganz andere Naturgesetze als zu Hause.
    »Und jetzt zieh dir etwas an, worin du dich wohlfühlst«, sagt Gaia mit gütiger Stimme und nimmt eine wartende Position mit locker verschränkten Armen vor der Brust ein. Ich laufe in das Ankleidezimmer und ziehe das weiße Kleid über meinen Kopf. Schnell suche ich mir ein paar schwarze Leggins heraus, die mir bis über die Knie gehen, und ziehe sie an. Dazu greife ich nach meiner absoluten Lieblingstunikabluse. Sie ist hellblau und geht mir bis über den Po. Unter der Brust wird sie mit einem breiten Gürtel auf Taille gebracht. Ich drehe mich vor dem Spiegel einmal um die eigene Achse. Mein Oberteil hebt wirklich alle positiven Eigenschaften meines Körpers hervor. Sie betont meine Oberweite, während sie meine Hüften locker umspielt. Zufrieden nicke ich mir zu, nachdem ich mir weiße Perlenohrringe in die Ohren gesteckt habe. Nur die Schuhe lasse ich weg, da Gaia und die Jahreszeiten barfuß waren. Ich will nicht gegen die Hausordnung verstoßen und es ist ja nicht so, als ob der Boden kalt wäre. Ganz im Gegenteil.
    »Sehr schön«, lobt mich Gaia und mustert meine Bluse eine Weile mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck. Dann lächelt sie und streckt ihre Hand nach mir aus. Ich ergreife sie und lasse mich von der Göttin hinaus durch zahlreiche Flure und Korridore zurück zu der großen Eingangshalle führen, in der wir heute Morgen angekommen waren. Dieses Mal öffnet sich jedoch ein Rundbogen auf der anderen Seite. Wir gehen hindurch und treten in ein Esszimmer. An einem großen, langen Tisch sitzen bereits die Jahreszeiten. Die Wände hinter ihnen zeigen die verschiedensten Bilder der Jahreszeiten in meiner Heimat. Gaia lässt meine Hand los und geht zum anderen Ende des Raums an das Kopfende und weist mich mit einer Handbewegung an, mich ihr gegenüber niederzulassen. Zu meiner Linken sitzen Aviv und Sol, zu meiner Rechten Jesien und Nevis. Letzterer sieht mich zunächst nicht an, doch dann hebt er seinen Kopf und erstarrt. Habe ich etwas falsch gemacht? Aviv räuspert sich.
    »Interessante Farbwahl«, hüstelt er amüsiert.
    »Hm«, brummt Jesien zustimmend, während Nevis zu seiner Mutter neben sich sieht. Erst jetzt wird mir bewusst, dass meine Bluse das gleiche Hellblau wie Nevis‘ Kleidung hat.
    »Oh«, sage ich peinlich berührt. »Es ist nur, … es ist meine Lieblingsbluse.« Ich will gerade zu Gaia beten, dass sie mir dabei hilft, mit dem Stammeln aufzuhören, als ich mich daran erinnere, dass die Göttin mir am anderen Tischende gegenübersitzt. Nevis senkt seinen Kopf, so dass ihm die Strähnen seiner schneeweißen Haare tief ins Gesicht fallen und es mir unmöglich machen, seine Augen zu sehen. Mein Blick klebt ängstlich an ihm. Wieso fürchte ich einen einzigen, kurzen Augenkontakt, den ich mir aber gleichzeitig auch erhoffe? Gaias Aufmerksamkeit hat mich jedenfalls nicht verlassen und sie sieht zwischen mir und Nevis hin und her, während die anderen Jahreszeiten glücklich auf die reich beladenen Teller starren, die sich urplötzlich vor unseren Augen materialisieren. Ein Seufzen durchfährt Nevis‘ Körper, als er kurz aufsieht, um seinen
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