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Morgenstadt - wie wir morgen leben

Morgenstadt - wie wir morgen leben

Titel: Morgenstadt - wie wir morgen leben
Autoren: Hans-Joerg Bullinger
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entwickelt: Der eigentliche Stadtkern, gekennzeichnet von Hochhäusern, Bank- und Firmenpalästen und durchzogen von breiten Straßenschluchten, war ursprünglich das Geschäftszentrum, wurde aber nach und nach von afrikanischen Einwohnern übernommen und gilt heute für Weiße als gefährliches Pflaster. Banken, Unternehmen und Einkaufszentren sind weggezogen nach Sandton in die nördlich gelegenen Vorstädte. Dort – in einem Viertel ohne charakteristisches Gesicht – wohnen und arbeiten jetzt die Wohlhabenden, ihre Grundstücke sind gesichert durch hohe Mauern, Alarmanlagen und private Wachdienste.
    Unmittelbar benachbart, nur getrennt durch einen winzigen, unsäglich verschmutzten Bach, befindet sich der Slum Alexandra. Hier leben rund 300000 Menschen unter extrem schlechten Bedingungen in Wellblechhütten ohne sauberes Wasser, sanitäre Anlagen, reguläre Stromversorgung und befahrbare Straßen. Das Viertel gilt als einer der gefährlichsten Plätze Südafrikas, was angesichts der sozialen Kluft, die die Einwohner ständig vor Augen haben, nicht verwundert.
    Soweto hingegen, das aus den einst berüchtigten südwestlichen Townships entstand, hat sich mit seinen geschätzten 3,5 Millionen Einwohnern im Lauf der letzten Jahre fast schon zu einer kleinbürgerlichen Großstadt entwickelt: So gibt es dort Schulen, Kirchen, Krankenhäuser, ein Straßennetz und eine Vielzahl von kleinen Gewerbebetrieben, sozialen Einrichtungen, Sportplätzen und Restaurants. Die Lebensbedingungen sind sehr bescheiden, aber inzwischen weit entfernt von einem Elendsquartier. 151
    Welche Ereignisse und Umschwünge steuern die Entwicklung einer Stadt? In Johannesburg war es zuerst die Entdeckung und Ausbeutung der reichsten Goldmine der Weltund danach die Apartheid, später deren Abschaffung. „In den Metropolen verdichten sich die menschlichen Probleme“, sagt Wolfram Putz, Mitbegründer des Architekturbüros GRAFT in Berlin. „Da zeigt sich schnell, wie stark die politischen Institutionen sind: Gelingt es ihnen, Korruption zurückzudrängen und Partizipation der Bürger zuzulassen? Herrschen sie unkontrolliert diktatorisch? Oder überlassen sie alles der Selbstorganisation? Eine Stadt entsteht durch die Potenziale ihrer Akteure.“ Das gilt auch für die Metropolen der Zukunft: Dort ballen sich die Probleme wie unter einem Brennglas, dort wirken sich Fehler am stärksten aus, dort fokussieren sich ökologische Schwierigkeiten, dort entstehen soziale Konflikte am schnellsten.
    Die Landflucht, die unvermindert anhält, sorgt dafür, dass in Asien, Afrika und Südamerika neue Metropolen aus dem Boden schießen. Dort leben Millionen Menschen, die arbeiten, sich bewegen und nach Möglichkeit auch ihr Glück finden wollen. Die Städte so zu gestalten, dass Fehlentwicklungen verhindert werden, sie funktionsfähig, sicher und resilient sind – also robust auf Störungen reagieren können – sowie flexibel auf neue Entwicklungen eingehen, ist eine enorme Herausforderung. Stadtplaner, Architekten, Soziologen, vor allem aber auch Wissenschaftler und Ingenieure müssen eng zusammenarbeiten, um diese Aufgabe zu bewältigen.
DIE NEUE VERNETZUNG
    Neben den wirtschaftlichen Bedingungen sind es oft technische Errungenschaften, die das Wachstum und die Eigenart von Städten prägen. „Gäbe es die Erfindung der Klimaanlage nicht, wären Großstädte, wie wir sie heute kennen, in den heißen Ländern des Südens, in Arabien oder Afrika kaum denkbar“, sagt Dr. Alexander Rieck, Architekt am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation IAO in Stuttgart. „Ein anderes Beispiel ist der Fahrstuhl. Erst seit es Aufzüge gibt, kann man in die Höhe bauen.“
    Und natürlich hat das Auto die Städte geprägt, im Guten wie im Schlechten. Manche Städte wurden extra daran ausgerichtet – Los Angeles wäre wie viele andere US-Metropolen ohne Auto nicht denkbar. Andere wurden durch die Autoflut in einer Art undWeise verändert, die ihnen die Lebensqualität nimmt: In Peking, Karatschi oder Kathmandu etwa bestimmen verstopfte Straßen und kilometerlange Staus das tägliche Leben.
    Wenn man einen Blick in die Zukunft wagt, wird – was die technische Seite angeht – die Kommunikationstechnologie wohl die bestimmende Größe sein, die die Morgenstadt prägt. Und es gibt allen Grund zur Hoffnung, dass sie die Städte besser, schöner und lebenswerter machen kann. Kann, aber nicht muss. Wie die vorhandenen technischen Möglichkeiten ausgestaltet
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