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Morgengrauen

Morgengrauen

Titel: Morgengrauen
Autoren: Stefan Ummenhofer , Alexander Rieckhoff
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gleich hinter der Einfahrt neben dem ehemaligen Wachpavillon der »19. Groupe de Chasseurs« abgestellt. Zwar hatte das Vermögensamt Freiburg, welches einen Investor für das Gelände suchte, das »Betreten für Unbefugte verboten!«, wie auf einem großen grellgelben Schild zu lesen war. Aber Hubertus und Klaus interessierte das wenig. Schließlich ging es hier möglicherweise um Leben und Tod von Elke – weshalb sich Hummel in einer endzeitlichen Stimmung befand.
    Per Handy war Elke nach wie vor nicht erreichbar. Die trostlose Atmosphäre der Kasernenbrache steigerte seine Depression noch: bröckelnder Putz, geflickte Pflastersteinauflage und wucherndes Grün, so weit das Auge in der allmählich anbrechenden Dämmerung reichte. Und ein völlig unüberschaubares Gelände von über 24 000 Quadratmetern, das vor ihnen dahinschlummerte. Immerhin hatten hier mal über 1100 Soldaten Dienst getan und Villingen zu einer Garnisonsstadt gemacht. Die Franzosen hatten fast so etwas wie ein eigenes Stadtviertel gehabt – mit eigenem Kino, Kaufladen und Casino.
    »O Gott, Klaus, wie sollen wir Elke hier jemals finden?«, jammerte Hubertus. »Ob sie überhaupt hier war? Vielleicht hat sie der Mörder schon …«
    »Ruhig Blut, Huby. Ich kenn mich hier aus«, tröstete Klaus ihn. Das stimmte zwar überhaupt nicht, aber irgendwie musste er seinen Freund ja beruhigen. Deshalb fackelte er auch nicht lange und begann, an den Eingangstüren der großen Hauptgebäude zu rütteln. Verschlossen!
    Zwischendurch kam ein Knacken aus einer der Seitentaschen von Klaus’ Regenjacke, denn er hatte zur Sicherheit seinen illegalen Polizeifunkapparat aus dem Auto mitgenommen. Vielleicht half der ihnen ja irgendwie weiter. Spätestens, wenn gemeldet wurde, dass man irgendwo eine verletzte oder gar tote weibliche Person aufgefunden hatte …
    Jetzt waren die Lagerhallen dran, die sich im hinteren Teil des Geländes aufreihten. Einige davon waren aus grauem Beton, andere nur aus rötlich vor sich hin rostendem Wellblech. Wo sollten sie hier bloß anfangen?
    In geduckter Haltung schritten sie die Seitensträßchen ab und versuchten, die blassblauen Stahltüren zu öffnen. Bei jedem neuen Türgriff begannen Hubertus’ Halsschlagadern heftig zu pulsieren. Vielleicht würde sich Elke genau hinter dieser Tür befinden …
    Lebendig?
    Doch alle Stahltüren waren verschlossen.
    Klaus überlegte: »Lass uns erst mal in den verrosteten Verschlägen weiter hinten nachsehen. Ich glaube kaum, dass unser Täter einen Schlüssel für diese Türen hier hat.«
    Ein paar Pflastersteine weiter glitzerte etwas im Schein der Taschenlampe, die Klaus aus dem Kofferraum seines Autos mitgenommen hatte. Hubertus bückte sich nach dem Gegenstand und hob ihn auf. Klaus schwenkte den Lichtkegel darauf: »Hubertus 9. 7. 1992«, las er die Gravur auf der Innenseite des weißgoldenen Ringes, den Hummel zwischen seinen Fingern drehte.
    »Ein Zeichen von Elke«, stammelte Hubertus fassungslos.
    Würde er sie bis zum Hochzeitstag wiedersehen? Falls ja, so schwor er sich, würde er ihn dieses Jahr bestimmt nicht vergessen.
    Klaus legte fast behutsam den Arm um Hubertus’ Schultern: »Huby, wir finden sie schon. Sollen wir Edelbert oder Bäuerle informieren, damit sie suchen helfen?«
    Hubertus schüttelte mutlos den Kopf.
    »Keine Sorge. Hier muss sie irgendwo sein«, tröstete Klaus weiter.
    Der Ring lag direkt vor einer Sackgasse, in der sich zu beiden Seiten ehemalige Unterstände befanden. Hier hatten mal die Panzer der Franzosen gestanden.
    Sie durchsuchten die angrenzenden Wellblechverschläge, kleine Kammern, die man für wenig Geld mieten konnte. Nur mit rostigen Schlössern waren sie gesichert, die Türen ließen sich mit einem Tritt aufbrechen.
    Ein Fall für Klaus. Die erste, die zweite, die dritte: nichts.
    Im vierten Verschlag ein Haufen Sperrmüll, ein kleiner Holzstoß. Dann fiel der Lichtschein auf glänzendes nasses Haar. Tropfende Strähnen hingen der Frau ins Gesicht.
    Elke!
    Sie saß auf dem nackten Betonboden, den Oberkörper an die verwitterte Blechwand gelehnt. Den Kopf regungslos nach vorne gebeugt, die Bluse zerfetzt, die weiße Hose völlig verschmutzt, barfuß. Fesseln waren straff um ihre zarten Handgelenke geschlungen.
    »Elke, arme Elke.« Hubertus hatte die schlimmsten Befürchtungen. Er fasste vorsichtig nach ihren Wangen, hob ihren Kopf und sah, dass ihr Mund mit einem Pflaster verklebt war, die Augen geschlossen. Zärtlich tätschelte er
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