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Morgen ist ein neuer Tag

Morgen ist ein neuer Tag

Titel: Morgen ist ein neuer Tag
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sich dann zur Wand.
    »Gute Nacht«, sagte er. »Es tut mir leid, daß ich dir nicht mehr Bequemlichkeit bieten kann.«
    Lina antwortete ihm nicht. Sie bückte sich, nahm seine Schuhe, suchte aus dem Schrank das Putzzeug heraus und fing an, die Schuhe zu putzen. Er hörte die Geräusche, die sie dabei verursachte, und war versucht, aufzuspringen und ihr die Schuhe wegzunehmen. Aber da er zu lange zögerte und überlegte, ob er es tun sollte, unterblieb sein Eingreifen, da Lina mit dem Putzen eher fertig war, als er dachte.
    Er hörte, wie sich Lina auszog, wie ihre Wäsche raschelte, wie sie das Federbett zurechtklopfte. Er stellte sie sich vor, wie sie jetzt im Schlafanzug dastand, schlank, blond, hübsch, mädchenhaft. Da ballte er die Fäuste, drückte sie gegen seine Stirn und schloß die Augen.
    Nein, sagte er sich. Nein … nein … nein …
    Er hörte, wie sie mit nackten Füßen durch das Zimmer lief. Sie knipste das Licht aus, tappte zurück. Zögerte sie an seinem Sofa? … Nein, sie ging weiter, das Bettgestell knarrte, als sie hineinstieg. Sie kuschelte sich in die Federn. Man hörte sie noch einmal, wie sie mit den Händen die Federn im Oberbett zurechtklopfte. Das hat sie immer getan, dachte Fritz. Das gehört dazu, pflegte sie lachend zu sagen.
    Dann wurde es still in dem dunklen Zimmer. Nur einmal hustete Lina leise.
    Die Nacht war warm und schwül.
    Unruhig wälzte sich Fritz auf den Rücken und warf den Mantel von sich.
    Er lauschte.
    Schlief sie schon?
    Die erste Nacht mit meiner Frau, dachte er. Ich liege auf einer Decke, die ich in Sibirien schon unter mir hatte, und dort, ganz nahe und doch unerreichbar fern, liegt sie. Was hat sich eigentlich geändert? Ist es nicht wie im Lager – alle Sehnsucht füllt nur einen Traum, alle Wünsche bleiben ungestillt. Da liege ich, ein Mensch, der sich nach dieser Frau zwölf Jahre lang gesehnt hat, und der auch heute nicht aufhört, so dazuliegen, allein, ohne Erfüllung, weil das Leben seine eigenen Gesetze hat, deren Sklave der Mensch ist.
    Er fuhr empor.
    Weinte sie? Klang das nicht wie ein Schluchzen? Wenn sie weint, muß ich sie trösten …
    Er lauschte angespannt. Dann sank er wieder auf seine Decke zurück. Gleichmäßig ging ihr Atem, tief und langgezogen.
    Sie schlief.
    Der Nachthimmel wurde klar. Die Sterne kamen durch. Sie sahen aus, als seien sie einzeln auf schwarzen Samt gestickt worden.
    Wie lange liege ich jetzt schon, grübelte er. Sind es Stunden? Oder nur Minuten? Auf dem Waschtisch hörte er den Wecker ticken. Aber er wagte nicht, Licht zu machen und nachzusehen, wie spät es war.
    Das ruhige Atmen seiner Frau war laut genug, um ihn nicht einschlafen zu lassen. Es war, als sei dieses Atmen die Stimme der Nacht, deren Wärme dazu beitragen wollte, daß Beziehungen auflebten und nicht erstarrten.
    Fritz richtete sich leise auf und schwang die Beine vom Sofa herunter, um sich auf dessen Rand zu setzen. Obwohl er bemüht war, leise zu sein, knarrte das Sofa. Erschreckt hielt er in der Bewegung inne und lauschte.
    Lina schlief weiter.
    Vorsichtig stand er auf, tastete sich um den Tisch herum und trat auf Zehenspitzen an das weiße Bett heran. Lautlos beugte er sich über die Kissen. Ganz nahe war jetzt ihr Atem – er streifte sein Gesicht wie ein zarter, streichelnder Wind.
    Lina, dachte er.
    Wie oft habe ich früher so vor deinem Bett gestanden, wenn ich spät nach Hause kam. Und dann habe ich mich still ausgezogen, habe dich sacht geküßt und in den Arm genommen. Deinen blonden Lockenkopf hast du dann an meine Brust gekuschelt und im Schlaf hast du gelächelt … O wie konntest du so selig lächeln, so glücklich, so verführerisch, selbst im Schlaf.
    Er beugte sich tief herab und sah ihre weiße Stirn.
    Vorsichtig, unendlich zart küßte er sie auf die Haare und auf die geschlossenen Lider und streichelte mit seiner harten Arbeitshand über ihre Haare.
    »Lina«, flüsterte er. »Ach, Lina, ich weiß nicht mehr, was ich tun soll. Zeig du mir den richtigen Weg. Ich finde mich im Leben und in der Heimat nicht mehr zurecht …«
    Die Nacht erschien ihm plötzlich schwül. Sie lockte und rief.
    Er stand an ihrem Bett und starrte auf ihren Kopf in den Kissen.
    Und etwas von dem Glück, das er suchte, durchrann seinen Körper.
    Ich bin zu Hause, dachte er. Ich bin wirklich zu Hause.
    Man muß nur wissen, wo dieses Zuhause ist …

8
    Sechs Tage später.
    Dr. Schrader saß gerade beim Frühstück, als die Morgenpost gebracht wurde. Als erstes
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