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Morgen ist der Tag nach gestern

Morgen ist der Tag nach gestern

Titel: Morgen ist der Tag nach gestern
Autoren: Mechtild Borrmann
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ab und endet an einem Bach. Dann beginnt der Militärübungsplatz mit weichen Hügeln, Baumgruppen, wild wachsendem Ginster, Holunder und aufgeschütteten Sandplätzen. Zur Rechten und jenseits der Straße nach vorne heraus, nur Felder und Wiesen. Die ersten Häuser des Ortes, deren Gärten man von hier aus sieht, sind mindestens fünfhundert Meter entfernt.
    Ein schönes Fleckchen Erde. Er erinnert sich an eine Fahrradtour mit Brigitte. Er war hier schon mal gewesen. Letztes Jahr im Sommer hatte er mit Brigitte auf dieser Straße gestanden. Er erinnert sich an das Haus. Ein großes Haus, wahrscheinlich ehemals ein Bauernhof. Mit viel Rücksicht auf die ursprünglichen Gegebenheiten teuer und liebevoll restauriert.
    Er hatte sich über den Anblick gefreut. Ja, er erinnert sich wieder. Ein Walmdach! Ein riedgedecktes Walmdach. Brigitte hatte gesagt: Das muss ein Vermögen gekostet haben!
    An der Garage schüttelt er Lembach und dem Mann vom Technischen Hilfswerk die Hand.
    „Das ist Horstmanns Wagen!“ Lembach schiebt kurz das Kinn in Richtung Garage. „So wie es aussieht, war er wohl hier.“
    Böhm nickt.
    „Horstmann ist der Eigentümer?“
    Lembach trägt einen weißen Overall. Die Kapuze liegt zwischen seinen breiten Schultern, die den weißen Zellstoff bis aufs Äußerste spannen.
    „Ja. Lebt eigentlich in Düsseldorf. Das hier war des Herren Sommerhaus.“ Er zieht den linken Mundwinkel hoch. „Wenn du verstehst?“
    Böhm lächelt. „Verstehe!“
    „Aber im Augenblick wollen wir ihn lieber nicht beneiden.“
    Lembach fährt sich mit der Hand über die schweißnasse Stirn. „So wie es aussieht, liegt der nämlich ziemlich schwarz da drin.“ Er zeigt auf die ehemals weißgetünchten Restwände. „Bongartz begutachtet den gerade und was der zu sagen hat, wird dich nicht freuen! Und was die Feuerwehr sagt und dieser gute Mann hier“, er nickt in Richtung des THW Mitarbeiters, „wird dich noch weniger begeistern.“
    Der Mann vom Technischen Hilfswerk ist mindestens zwei Meter groß und so dürr, dass Böhm befürchtet, er könne, wenn er aus der Balance gerät, durchbrechen. Außerdem sieht er aus, als wäre er gerade erst volljährig geworden. Er spricht auf Böhm herunter.
    „So wie es aussieht ist Brandbeschleuniger zum Einsatz gekommen.“ Er spricht langsam und gut artikuliert, so wie man Kindern im Urlaub die Gefahren des Meeres erklärt.
    „Wahrscheinlich Benzin. Wir müssen noch einige Tests abwarten, aber vom Geruch und von dem Weg, den das Feuer genommen hat, spricht alles für flüssigen Brandbeschleuniger. Wir sind sicher; da sind im ersten Stock literweise brennbare Flüssigkeiten verschüttet worden. Die Brandherde sind eindeutig.“
    Nein, er sagt das völlig normal. Es kommt Böhm nur wie die Belehrung eines Kindes vor, weil der Mann so groß ist. Weil er zu ihm hinaufschauen muss.
    „Können Sie den Zeitpunkt bestimmen? Können Sie feststellen, wann das Feuer ausgebrochen ist?“
    Der Große schaut nachdenklich auf den Boden. „Nein, aber wir können uns an der Brandmeldung orientieren. Mit der Menge von Brandbeschleuniger muss das Feuer sehr schnell weit sichtbar gewesen sein. Beim Eintreffen der Löschzüge war das Haus nicht mehr zu retten. Die Feuerwehr hatte durch den Funkenflug und die enorme Wärmeentwicklung in erster Linie damit zu tun, eine Ausbreitung zu verhindern. Bei diesem Wetter wäre ein Flächenbrand, der den Wald erreicht, eine Katastrophe geworden.“
    Böhm bedankt sich und betritt über Schutt und angebrannte Dachbalken hinweg das ehemalige Haus. Bongartz steht auf einer dicken Holzbohle, die an den Enden auf Steinstufen aufliegt. Das THW hat überall diese Gehwege aus schweren Bohlen verlegt. Die Fliesen des ehemaligen Fußbodens haben sich aus dem Betonbett gelöst und sind zum Teil gebrochen. Neben Bongartz steht ein Mahagonischreibtisch, der selbst jetzt, verkohlt und mit diesem schlierigen Film des Löschpulvers bedeckt, prunkvoll und massiv wirkt. Die Decken zum ersten Stock sind eingebrochen, ebenso wie die darüber und das Dach. Die Sonne brennt erbarmungslos in diese Restzimmer.
    Bongartz gibt Böhm die Hand.
    „Na, dann woll’n wa mal.“ Er balanciert über einen der schmalen Stege und geht dann in die Hocke. Wie ein dicker weißer Ball hockt er zwischen den verkohlten Möbeln und Wänden.
    „Wir müssen sehen, wie wir den da einigermaßen heil rauskriegen.“
    Böhm beugt sich über Bongartz. Auf dem Boden, eingeklemmt unter einem Balken liegt
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