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Mordskerle (German Edition)

Mordskerle (German Edition)

Titel: Mordskerle (German Edition)
Autoren: Renate Schley
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den Rücken zuwandte und so tat, als gäbe es nichts Interessanteres als die Auslagen im Schaufenster einer Apotheke zu betrachten. Im Fensterglas folgte sein Blick dem schwarzen Rad mit der verchromten Vordergabel und dem Alu-Lenkerbügel, bis der Bürgermeister damit um eine Ecke verschwand.
    Tim ahnte, dass das Rad jetzt auf dem Hinterhof abgestellt und gesichert wurde. Sorgfältig gesichert, sagte er sich, denn kein Mensch wäre so naiv gewesen, dieses Fahrrad nicht mindestens mit einem halben Dutzend schwerer Schlösser abzuschließen und obendrein anzuketten.
    Komisch, es war nur einmal angekettet und auch nur einmal abgeschlossen und beides auf eine so lächerlich sorglose Art, die Tim – wahrlich kein Profi auf diesem Gebiet – zu einem etwas herablassenden Lächeln provozierte. Es gab keine Zange, die diese Kette nicht geknackt hätte, weil es sich bei dem Schloss lediglich um eines der einfacheren Ausführung handelte: Es ließ sich mit einiger Kraftanstrengung nach weniger als zwei Minuten aufbrechen.
    Und so konnte es geschehen, dass Tim Valendiek, den alle immer nur Vale nannten, an diesem späten, milden Maiabend auf dem Fahrrad des Bürgermeisters durch die Straßen der kleinen Stadt jagte, wobei er regelmäßig über die Schulter zurück blickte, immerzu darauf vorbereitet, dass jeden Augenblick ein Blitz aus dem abendlichen Himmel auf ihn herab fuhr, um ihn auf der Stelle zu erschlagen.
    Andererseits, so sprach er sich selbst Mut zu, hatte er das damals, als das mit der CD passierte, auch gedacht, und es war gar nichts passiert, nicht das Geringste. Er war einfach so aus dem Supermarkt raus gegangen, als wenn nichts wäre. Keine wild kreischende Verkäuferin, kein Detektiv war ihm gefolgt, sodass seine kleine Schwester sich am Heiligen Abend wie verrückt über die CD freuen konnte.
    Tim wurde aber auch sehr bald klar, dass er höchstwahrscheinlich im Begriff war, etwas völlig Falsches zu tun, wenn er jetzt die Straße zum Stadtpark hinauf raste, als wären die Jungs von der Polizei schon hinter ihm her. Es war klüger, ganz gemütlich durch die Fußgängerzone zu radeln, dabei leise zu pfeifen, gerade so, als wäre das Fahrrad sein eigenes und als es gäbe nicht den geringsten Anlass, vor irgendjemand oder irgendetwas zu fliehen.
    Also fuhr er langsamer, beinahe gemächlich, war sogar so vermessen, immer wieder diese Melodie dabei zu pfeifen, die er irgendwann mal gehört hatte, als er noch ein Kind gewesen war, und mit jedem Meter, den er zwischen sich, das gestohlene Fahrrad und das Rathaus legte, kam er sich kühn und gleichzeitig zum Schreien komisch vor.

1. Kapitel
    D er Bürgermeister gähnte.
    Er tat dies allerdings auf sehr dezente Art, nämlich, indem er das Gähnen zwischen den Lippen zerbiss, denn nie hätte er es gewagt, seinem Gegenüber herzhaft ins Gesicht zu gähnen. Gleichzeitig verbot er sich, schon wieder auf die Uhr zu schauen. Es war seit seinem letzten Blick ohnehin erst eine Minute vergangen, da war es eine Minute vor halb Zwölf gewesen – und wie, um diese Tatsache nachträglich kraftvoll zu bestätigen, schlug die Uhr der Stadtkirche, die dem Rathaus gegenüber stand, jetzt halb Zwölf.
    Im Sitzungssaal des Rathauses fand seit halb Acht eine Versammlung des Magistrats statt. Vorher hatte der Bürgermeister unglücklicherweise nur ein trockenes Brötchen gegessen, obwohl ihn die Erfahrung längst gelehrt hatte, dass diese Sitzungen sich regelmäßig bis nach Mitternacht hin zogen und man schon deshalb satt und ausgeruht sowie mit einem Kissen für die gepeinigte Sitzfläche erschien.
    Die Tagesordnung zählte zweiundzwanzig Punkte. Punkt für Punkt war anfangs zügig abgehandelt worden. TOP 13 allerdings erwies sich als etwas zäh, sodass es einige Minuten lang schien, als ob die Debatte hier ins Stocken geraten sollte.
    Es ging um nicht mehr, aber auch nicht weniger als um den Antrag des Frauenhauses, zehntausend Euro aus dem neuen Haushalt der Stadt für Renovierungen bewilligt zu bekommen – ein mutiger Wunsch, denn immerhin befand man sich in Zeiten, da das Steuersäckel auch dieser Stadt leer
    war.
    Der Antrag wurde erwartungsgemäß abgelehnt.
    Bei Punkt 15 angekommen, verhandelte der Magistrat über den Ausbau des Jachthafens, der aus allen Nähten platzte, aber es ging um keine geringere Summe als 1,2 Millionen, und logischerweise hatte die Stadt jetzt, zwei Tagesordnungspunkte, nachdem man den Antrag des Frauenhauses über zehntausend Euro abschlägig
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