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Mordsidyll

Mordsidyll

Titel: Mordsidyll
Autoren: Dirk Zandecki
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hat.«
    Anna Lobbisch blickte ihn ängstlich an. Ruste zwinkerte ihr zu und versuchte, sie zu beruhigen: »Unter vier Augen – er hat es nicht anders verdient. Ich glaube kaum, dass Sie da mit einem Verfahren rechnen müssen. Tja, Frau Lobbisch, das ist der Stand der Dinge. Sie sehen, der Fall ist komplex. Wir haben noch immer keine Spur von dem Täter des Anschlags auf Wassiljew vor der JVA. Dieser versuchte Mord ist das noch fehlende Puzzleteil. Hier tappen wir weiterhin völlig im Dunkeln. Aber darüber darf ich Ihnen nichts Genaueres sagen. Für uns ist der Fall jedenfalls weitgehend geklärt. Jetzt muss ich mich nur noch um einen Schützenvogel und einen abgeschnitten Finger kümmern. Ich kann Ihnen sagen, es passieren Dinge, die glaubt man nicht.«
    Ruste leerte den Rest aus seiner Bierflasche in einem Zug. Er schaute Anna an, in deren Gesicht ein großes Fragezeichen geschrieben zu sein schien. Er selbst hatte die ganzen Zusammenhänge seiner komplizierten Theorie ja auch nur verstanden, als er sie auf einen Flipchart mit den vielen Namen und Pfeilen und Linien aufgezeichnet hatte. Na ja, die Grundzüge hat sie bestimmt begriffen, dachte sich Ruste.
    Â»Ich muss dann mal wieder weiter, Frau Lobbisch. Ich wünsche Ihnen alles Gute. Ich hoffe, Sie bald, vielleicht in einem anderen Rahmen, wiederzusehen.« Nach einer kurzen Pause fügte er zögerlich hinzu: »Falls Sie Hilfe bei der Verarbeitung dieser schlimmen Ereignisse benötigen, unser psychologischer Dienst steht Ihnen jederzeit zur Verfügung.«
    Â»Danke. Es geht schon. Die Arbeit und die Tiere lenken mich ab«, erwiderte Anna Lobbisch und erhob sich.
    Ruste stand ebenfalls auf. Er reichte ihr die Hand und setzte sein charmantestes Lächeln auf. Dann drehte er sich um und trat in die Diele hinaus.
    Anna Lobbisch begleitete Ruste bis zur Haustür. Er hatte bereits die Klinke in der Hand, als sein Blick auf das Paar Schuhe fiel, das neben dem Eingang auf dem Boden stand. In Rustes Kopf begann es, wie in einem Uhrwerk zu rattern. Er löste die Hand von der Klinke und hob die Schuhe hoch. Es waren Damenwinterschuhe. Der Firma Goretex. Im ausgeprägten Profil hingen Reste getrockneten Schlamms.
    Ruste blickte Anna Lobbisch durchdringend an. Sie errötete und schaute ihn mit entsetzten Augen an. Spätestens in diesem Augenblick wusste er, dass er für diese zierliche Bäuerin mehr empfand als reine Sympathie. Ruste wollte etwas sagen, überlegte es sich jedoch anders. Er war hin- und hergerissen. Er hatte die Möglichkeit, die Schuhe zurückzustellen, hinauszugehen und alles zu vergessen. Aber konnte er das wirklich?
    Erneut inspizierte er das charakteristische Profil der Sohlen. Dann schaute er Anna Lobbisch an, die seinem Blick tapfer standhielt. »Möchten Sie mir noch etwas sagen, Frau Lobbisch?«
    Â»Ja«, antworte Anna ruhig. »Gehen wir zurück in die Küche.«

    Nachdem Anna Lobbisch ihm alles erzählt hatte, auch von dem toten Privatdetektiv, der auf dem Grund ihres Güllebehälters lag, war Ruste aufgestanden und hatte ohne ein Wort den Raum verlassen. Vor der Tür des Bauernhauses zündete er sich eine Zigarette an. Sein Blick fiel auf die grünen Gummistiefel und den grauen Kittel neben der Tür. Und nun? Was sollte er nun tun?
    Seufzend holte er sein Handy aus der Tasche und wählte Schröders Nummer. »Schicken Sie einen Streifenwagen zum Bauernhof von Anna Lobbisch. Wir haben eine Verhaftung vorzunehmen.«
    Als Schröder, eifrig und dienstbeflissen wie er war, mehr über die Umstände hören wollte, würgte Ruste ihn ab. »Schicken Sie den Wagen und gut ist, Schröder.«
    Â»Wie Sie meinen«, antwortete Schröder, um dann jedoch sofort fröhlich weiterzuplaudern: Ȇbrigens ist der Fall mit dem entführten Schützenvogel aufgeklärt. Es war der Sohn vom Vorsitzenden. Er hat sich durch die intensive Vereinsarbeit seines Vaters vernachlässigt gefühlt und mit einem Freund zusammen den Vogel auf dem Parkplatz vor dem Olper Freizeitbad angezündet. Ich kann Ihnen sagen, hier ist was los!«
    Ruste legte auf. Tja, heute lösten sich wohl alle Fälle, dachte er bitter. Dann rief er den besten Anwalt von Siegen an und direkt danach einen Staatsanwalt vom Landgericht, den er gut kannte. Ruste hatte noch nie jemanden um einen Gefallen gebeten. Aber das war nun das Mindeste, was er für Anna
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