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MORDrhein-Westfalen (Vier Krimis mit Tatorten in NRW - Münsterland, Sauerland, Niederrhein) (German Edition)

MORDrhein-Westfalen (Vier Krimis mit Tatorten in NRW - Münsterland, Sauerland, Niederrhein) (German Edition)

Titel: MORDrhein-Westfalen (Vier Krimis mit Tatorten in NRW - Münsterland, Sauerland, Niederrhein) (German Edition)
Autoren: Alfred Bekker
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der evangelischen Kirche hervor. Zwei Einsatzwagen der Polizei stehen auf dem Parkplatz. Als ich mit dem Fahrrad in die Herrenstraße einbiege, fallen sie mir wegen der eingeschalteten Blinklichter gleich auf. Irgendetwas muss passiert sein.
    Ich fahre auf den Parkplatz. Um die Polizisten hat sich ein Pulk von schaulustigen Passanten gebildet. Uniformierte Beamte teilen Handzettel aus. Das Bild einer jungen Frau ist darauf zu sehen. Darunter die Frage, ob jemand ihr in den letzten Tagen begegnet sei. Ein Beamter kommt auf mich zu, drückt mir auch so einen Zettel in die Hand.
    "Was ist passiert?", frage ich.
    "Versuchen wir gerade herauszufinden."
    "Sie ist doch nicht tot?"
    Meine Stimme vibriert.
    Warum eigentlich?
    Der Beamte sieht mich an. Seine Augen sind dunkelgrau. Genau wie sein Schnauzbart, der so dick ist, dass man von den Lippen nichts sehen kann. Er mustert mich. Ich fange an zu schwitzen. Ich fange immer an zu schwitzen, wenn mich jemand so ansieht. Genau auf diese Weise.
    Unmöglich zu sagen, woran das liegt. Ich weiß nur, dass sich dann meistens die Stimmen melden.
    Geh weg.
    Sofort.
    Flieh!
    "Sehen Sie sich das Bild genau an", sagt der Polizist. "Vielleicht kennen Sie die junge Frau ja ..."
    Ich nicke.
    Senke zögernd den Blick.
    Bislang habe ich es vermieden, mir das Gesicht anzusehen.
    Tu es nicht!
    Sieh nicht hin!
    "Schreckliche Sache", sage ich.
    "Naja, wir wissen ja noch nicht sicher, was wirklich passiert ist", erwidert der Uniformierte.
    "Ich glaube, dann würden Sie nicht so eine große Aktion starten."
    "Also, was ist? Kennen Sie die Frau?"
    "Nein."
    Ich muss schlucken.
    Er sieht dir deine Lüge an, denke ich. Er sieht dir an, dass du jeden Tag mit ihr sprichst, dass sie an deinem Tisch sitzt, dass ihr zusammenlebt wie ein altes Paar.
    Ich höre die Leute reden. Von härteren Strafen und perversen Schweinen, von schlampigen Gutachtern und zu milden Urteilen wegen einer schweren Kindheit. Das ganze Stammtischgequatsche eben. Der Polizist geht weiter.
    Geh weg.
    Sofort.
    Ich steige auf das Fahrrad, zittere dabei.
    "Sie wollen wirklich schon gehen?"
    Ihr Gesicht wirkt verlegen.
    "Ja."
    "Aber ..."
    Woran liegt es nur? Mutter kann nichts damit zu tun haben. Sie liegt seit ihrem Schlaganfall starr da und wenn ich sie nicht alle paar Stunden umbetten würde, bekäme sie Druckstellen, die sich nach einiger Zeit dunkel verfärben. Manchmal ruft sie nach mir, das hat sie jetzt nicht getan. Der Hass, den sie meinen Besucherinnen entgegenbringt, kann doch nicht durch die Wände ihres Zimmers gedrungen sein wie eine schwarze Giftwolke!
    Ich höre Stimmen.
    Einen dumpfen, choatischen Chor, der lauter wird, anschwillt.
    "Ich muss mich auf den Weg machen. Verstehen Sie mich doch, es ist höchste Zeit ..."
    "Ich habe den Tisch gedeckt!"
    "Hören Sie, ich will Sie nicht kränken, aber ..."
    "Aber?"
    "Ich weiß nicht, ob es richtig war, Ihre Einladung anzunehmen ... Was ich sagen will ist ..."
    "Sie können mir das nicht antun! Ich habe für Sie gekocht!"
    "Das ist sehr nett, aber - "
    "Alles ist vorbereitet ... "
    Sie runzelt genau in diesem Moment die Stirn.
    "Vorbereitet?"
    Viele von ihnen haben genau in diesem Moment die Stirn gerunzelt.
    Ich kann es unmöglich erklären, aber es ist so.
    Ich habe kein gutes Gefühl.
    "Es gibt Lachs in Kräuterbutter. Dazu einen guten Wein. Es wird Ihnen schmecken ..."
    Ich habe etwas Scheußliches getan.
    Naja, das haben die meisten vielleicht irgendwann schon mal in ihrem Leben. Aber das, was ich getan habe, ist von besonderer Scheußlichkeit.
    Ich weiß es, aber ich kann es nicht ändern.
    Ich empfinde auch keine Schuld.
    Es ist so gekommen.
    Aus.
    Fertig.
    Reden wir über etwas anderes.
     
     
    Ich sehe ihr in die Augen, diese leuchtend blauen Augen, die mich ganz friedlich anblicken.
    Sie sitzt mir gegenüber, mit diesen Augen, mit ihrem schmalen Mund, mit ihrem feingeschnittenen Gesicht. Ihr Mund lächelt nicht mehr. Er ist vielmehr unbeweglich, etwas starr, ich weiß auch nicht.
    Ich hebe mein Glas und proste ihr zu.
    Sie schweigt.
    Ich rede mit ihr. Oder besser: Ich erzähle ihr alles Mögliche. Über mich. Über meine Ansichten. Über Gott. Und die Welt.
    Nein, vielleicht doch nicht über Gott. Was ich damit sagen will ist Folgendes: Gott hat in dieser Geschichte eigentlich nicht allzu viel verloren.
    Ich sollte ihn aus dem Spiel lassen.
    Um seinetwillen.
    Mein Mund produziert Worte. Eins nach dem anderen, ohne Unterlass. Eigentlich bin ich ein schweigsamer
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