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MORDMETHODEN

MORDMETHODEN

Titel: MORDMETHODEN
Autoren: Mark Benecke
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vor Jahrzehnten an Tierleichen vorgefunden hatten. Es gab zwar kleinere Abweichungen in den Arten und deren Verweildauer, aber das war wegen der veränderten Umweltbedingungen zu erwarten gewesen. Die Untersuchung von Leicheninsekten war damit auch in den USA als wissenschaftlich und kriminalistisch brauchbare Methode erkannt worden. Von nun an übernahmen Insektenkundler an einem Dutzend Universitäten in den USA die schwierige Arbeit weiterführender Experimente sowie der Artbestimmung und ökologischen Untersuchung, die kein Knochenkundler mehr leisten konnte. Damit endete das vergleichsweise kurze Gastspiel der Insektenkunde in dermittlerweile 30-jährigen Geschichte des anthropologischen Instituts der Universität Tennessee in Knoxville.
    Schon ein Jahr nach Rodriguez ersten Versuchen legte sich übrigens die Aufregung bei den Nachbarn. Obwohl mittlerweile im Sommer bis zu 40 Leichen von Körperspendern einen vorübergehenden Verwesungsgeruch und auch das eine oder andere Insekt verbreiten, empfinden auch Nichtwissenschaftler den Ort als nützliche und friedliche Forschungsstätte.
Neues auf der Body Farm
    Mittlerweile sind viele Verwesungsvorgänge aufgeklärt. Die Mitarbeiter der Body Farm stellen aber nach wie vor Fundortsituationen nach, die entweder schon einmal beobachtet wurden oder die für die Zukunft realistisch erscheinen. Dazu werden die Leichen beispielsweise begraben und im Schatten oder unter Wasser gelagert. Es ist erstaunlich, welchen Einfluss schon vergleichsweise kleine Änderungen der Umgebung auf die Zersetzung einer Leiche haben können. Der Autor selbst hat einmal bei solchen Experimenten in einem heißen und regnerischen Sommer in Kanada mitgewirkt und konnte beobachten, dass ein nahe eines Weges ausgelegtes Schwein schon nach zwei Wochen skelettiert war, während ein nur wenige Meter entfernt im Gesträuch platziertes Tier noch vergleichsweise gut erhalten war.
    Deshalb versuchte man auch auf der Body Farm schon bald, noch feinere Messeinheiten für die Leichenliegezeit zu finden. Bewährt haben sich dabei die bereits erwähnten Leicheninsekten. Aber auch künstliche Nasen für Gase oder die Messung der chemischen Zusammensetzung der Leiche werden zur Feinbestimmung herangezogen.
    Die forensisch-anthropologischen Versuche unter echten Bedingungen sind nicht nur für alle Sinne eindrücklich. Sie lehren uns auch, die Finger von Faustregeln zur Liegezeit zulassen, wenn wir das Umfeld nicht kennen. Vor allem aber bietet die Body Farm eine gute Gelegenheit, zusammen mit Polizisten die Bedeutung der wissenschaftlichen Versuche für die Praxis zu testen. Denn echte Fälle können sich von kontrollierten Experimenten, bei denen beispielsweise Temperatur und Beschaffenheit des Erdbodens genau bekannt sind, oft so stark unterscheiden, dass es zu Missverständnissen bei den Ermittlungen kommen kann. So müssen wir in einem Experiment oft genau verstehen, wann und warum ein Speckkäfer oder eine Goldfliege auf einer Leiche anzutreffen sind, denn wir kennen die Lagebedingungen ganz genau. Manchmal lautet die Frage an die Wissenschaftler aber genau umgekehrt: Welche Temperatur und welche Lagerungsbedingungen müssen geherrscht haben, um das vorliegende Leichenzersetzungsbild zu erklären? Auf diese Art lernen die Forscher von den Kriminalisten und umgekehrt.
    Auch die Bundespolizei FBI schickt jährlich einen Trupp Spezialagenten auf die Body Farm, wo sie an einem Einführungskurs in die forensische Anthropologie teilnehmen. Dort lernen sie aber nicht nur das Wichtigste über Leichenzersetzung, sondern vor allem auch, wie eine mögliche Grabstelle richtig, wenngleich in vernünftigem Zeitrahmen, ausgehoben wird. Für archäologische Abpinselungen ist unter dem Druck einer laufenden Ermittlung natürlich ebenso wenig Platz wie für ein übereiltes Ausbuddeln per Baggerschaufel.
    Bei diesem Training wird die mögliche Verscharrungs- oder Begräbnisstätte zuerst mit Stöcken ertastet und dann an ihren Ecken markiert. Mit Plastikschäufelchen wird das Erdreich dann Schicht für Schicht ausgehoben und durchgesiebt. Erste Regel dabei: niemals in den Boden stechen, immer nur flach und von der Seite her abtragen. Die Erde wird auf dem Sieb auf Beimengungen, die entweder von der Leiche oder einem Täter stammen, untersucht.
    Wer diesen Kurs zum ersten Mal belegt, ist an einem verzweifelten Gesichtsausdruck und stillen Flüchen zu erkennen.Der Grund: Wird auch nur eines der in der Erde versteckten
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