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MORDMETHODEN

MORDMETHODEN

Titel: MORDMETHODEN
Autoren: Mark Benecke
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spezialisierter Forensiker irgendetwas über den Todeszeitpunkt, die Todesart oder eine mögliche Leichenverbringung herausfinden sollte. Leider gibt es nur sehr wenige Skelettkenner dieser Art auf der Welt, denn die Schnittstellen zur Archäologie sind in der Rechtsmedizin kaum vorhanden, und es gibt nur wenige freiberufliche Knochenkundler.
    Eine der wenigen Ausbildungsstätten für Forensische Anthropologen ist die so genannte Body Farm. Eigentlich heißt sie bescheiden Forensic Anthropological Research Facility. Das ist angemessen, denn die Büros liegen versteckt in einem Kreissegment unter dem Football-Stadion der Universität von Tennessee. Die Adresse zeugt von der ungewöhnlichen Lage: 250 South Stadium Hall, University of Tennessee, Knoxville.
    Formell ist die Body Farm nur eine kleine Untereinheit der anthropologischen Abteilung der Universität. Die forensische Anthropologie ist der biologischen Knochenkunde untergeordnet. Diese wiederum bildet zusammen mit Archäologie und menschheitsgeschichtlicher Kulturkunde das »Knoxviller Knochenkunde-Kleeblatt«.
    Der Body Farm geht es wie allen anderen Forschungseinrichtungen, die sich mit Leichen befassen: Meist werden sie so weit wie möglich an den Rand gedrängt. Das hat seine Vorteile, denn dort, und vor allem an den Schnittstellen zwischen den einzelnen Disziplinen, gibt es besonders spannende Dinge zu entdecken. Im Fall der Body Farm waren es die Insekten, die jedoch nur kurz im »Wald der Leichen« untersucht wurden, wie Die Zeit das Gelände malerisch taufte.
    Die Geschichte der Body Farm begann, als William Bass, bis 1995 Leiter der Knoxviller Anthropologie, im Jahr 1971 damit beauftragt wurde, eine universitäre Knochenkunde aufzubauen. Er kümmerte sich zunächst um Räume und Ausrüstung für seine auch rechtsmedizinisch-kriminalistisch arbeitende Gruppe. Nahe liegender Sinn des forensischen Forschungszweiges sollte sein, Leichen in späten Fäulnisstadien, alsoauch Skelette, schneller und besser identifizieren zu können. Wie schon gesagt, sind alle Ermittler auf möglichst genaue Daten angewiesen, um Alter, Ethnie und vielleicht auch die Liegezeit einer Person eingrenzen zu können. Je genauer diese Informationen, desto zielgerichteter und schneller die darauf aufbauenden Nachforschungen.
    (Forensische Anthropologen müssen allerdings nicht immer solch knifflige Fragen klären. Einer von Bass’ ersten Einsätzen war, noch zu seiner Studienzeit, die Identifizierung der Leichen zweier Lastwagenfahrer, deren Trucks in Kentucky zusammengestoßen waren. Zum allgemeinen Erstaunen stellte sich dabei heraus, dass die zusammengelegten Leichenteile von drei und nicht von zwei Menschen stammten: Die dritte Person war eine Frau, die vermutlich schon vor dem Zusammenstoß als Leiche in einem der Wagen gelegen hatte.)
    Die Kunst der feinen Skelettuntersuchung stand schon lange vor William Bass auf recht festem Boden. Vor allem durch die jahrzehntelangen Vermessungen enormer Mengen von Schädeln aus aller Welt, die seit den großen Forschungsreisen in den Sammlungen der Naturkundemuseen und an anatomischen Instituten durchgeführt worden waren, gab es durchaus brauchbare Tabellen, mit denen aus einem Skelett wichtige Rückschlüsse auf den lebenden Körper gezogen werden konnten.
    Da viele Anthropologen sich aber entweder für die Rassenlehre begeistert hatten oder – zumindest in Europa – dafür zwangsbegeistert wurden, gab es nach dem Zweiten Weltkrieg nur noch wenige Forscher, die sich auf dieses Feld begeben wollten. Die messende Anthropologie war in einen schlechten Ruf geraten, jedoch nicht aufgrund der wissenschaftlichen Datensammlungen, sondern durch deren falsche soziale Bewertung. Die knochenkundliche Wissenslücke in deutschsprachigen Instituten für Rechtsmedizin konnte bis heute nicht geschlossen werden. Den Beruf des forensischen Anthropologen,wie er in US-amerikanischen Büchern und Filmen auftaucht, gibt es hierzulande praktisch nicht.
    Um also noch einmal von vorn anzufangen und um seine Studenten aktiv einzubinden, wollte Bass ab 1971 eine eigene Knochensammlung aufbauen. Dafür werden Skelette bekannter Herkunft genau vermessen und die erfassten Merkmale in Karteien systematisch mit Daten zu Alter, Geschlecht, geografischer Herkunft, Krankheiten und allen weiteren erhältlichen Informationen verknüpft. Findet sich ein unbekanntes Skelett, erlauben diese Tabellen dann den Umkehrschluss. So wird bestimmt, welche Körpermerkmale einmal dem
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