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Mordgier

Mordgier

Titel: Mordgier
Autoren: Jonathan Kellerman
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aufrechter da, als ich ihn seit langem gesehen hatte, und sprach mit Sean Binchy. Schwarze Haarsträhnen wurden ihm ins Gesicht geblasen, und er wischte sie ohne Erfolg beiseite. Um auf Seans kurzes, gegeltes Haar Eindruck zu machen, wäre ein Hurrikan nötig gewesen.
    Ich verließ das Blut und ging zu ihnen hinüber.
    Sean sah blass aus. »Eine alte Lady. Eine Lehrerin .«
    »Der Benz ist auf dem Weg zum Autolabor«, sagte Milo. »Sean wird mit Mr. Heubel reden, ob er den Bentley freiwillig zur weiteren Analyse zur Verfügung stellt. Falls Heubel nicht zustimmt, haben wir Pech gehabt, meint der schärfste Hund bei der Bezirksstaatsanwaltschaft, den ich kenne.«
    »Vielleicht ist er einverstanden, wenn ich ihm hiervon erzähle«, sagte Sean. »Auf mich machte er einen netten Eindruck.«
    »Oder Sie erreichen das Gegenteil.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Reiche Leute vermeiden Schwierigkeiten nach Möglichkeit.« Milo begann, sich abzuwenden.
    »Ähm, Loot. Ich bin immer noch offiziell beim Autodiebstahl.«
    »Möchten Sie, dass ich mit jemandem rede?«
    Sean kaute auf seiner Unterlippe. »Ich glaube nicht, dass Lieutenant Escudo begeistert wäre, und ich brauche ihn für meine Zwischenbeurteilung.«
    Milos Augen wurden schmaler. »Was wollen Sie damit sagen, Sean?«
    Sean schaute zurück auf das Blut. »Ich tue alles, womit ich helfen kann.«
    Ich erwartete, dass Milo ihn barsch anfuhr, aber er sagte: »Sehen Sie mal, wie weit Sie bei Heubel kommen, dann reden wir miteinander.«
    Sean salutierte und marschierte los.
    »Wann darf er später ins Bett gehen?«, fragte ich.
    »Wenn seine Noten besser werden.« Milo drehte sich um und musterte das kleine grüne Haus. »Irgendwelche spontanen Erkenntnisse?«
    »Das Opfer ist älter, dasselbe gilt für den Mörder, dieser ganze Overkill, vermutlich handelt es sich um eine persönliche Sache. Ich würde Freunde überprüfen, Exmänner, romantische Beziehungen, bei denen irgendwas schiefgegangen ist.«
    »Knatsch unter Liebesleuten im Greisenalter? Mein Zeuge sagt, sie sei Witwe gewesen, und der einzige Besucher, den er je gesehen habe, sei ein Typ in den Vierzigern, den er für ihren Sohn hielt. Die Jungs von der Spurensicherung sind im Haus. Wenn sie fertig sind, fange ich an, in ihren Habseligkeiten zu graben.«
    Ein Mann kam aus einem spanischen Bungalow zwei Häuser weiter. Er rieb sich die Augen und vermied es, auf das Blut zu sehen.
    »Das ist er«, sagte Milo. »Plaudere doch ein bisschen mit ihm, während ich nachsehe, wie sie das Haus auseinandernehmen.«
    *
    Edward Moskow war Mitte bis Ende fünfzig und kahl mit einem krausen grauen Bart. Sein Swarthmore-Sweatshirt war unten an den Ärmeln ausgefranst und eine Nummer zu groß. Seine Khakihose war zu einem gebrochenen Weiß ausgebleicht, fast so blass wie seine nackten Füße.
    Ich stellte mich vor, wobei ich auf den Titel verzichtete.
    Moskow nickte.
    »Muss schrecklich sein, so etwas mitanzusehen«, sagte ich.
    »Ich werde es nie vergessen.« Er fasste sich an die Stirn. »Direkt hier eingraviert.«
    »Falls es noch irgendwas gibt, woran Sie sich erinnern …«
    »Ein alter Dreckskerl.« Seine Stimme war leise und heiser. »Unglaublich. Man sollte doch meinen, dass sie den Trieb in dem Alter verloren haben.«
    »Oft ist das der Fall.«
    Er sah mich an, als hätte er gerade erst gemerkt, dass wir ein Gespräch führten.
    »Man nennt es kriminellen Burnout«, sagte ich.
    Kurzes Nicken.
    »Mr. Moskow, wie alt war dieser Mann Ihrer Schätzung nach?«
    »Hab ihn nur ein paar Sekunden gesehen.« Moskows Gesicht verzog sich. »Hauptsächlich hab ich seinen Arm gesehen.« Er hob seinen rechten Arm und mimte einen nach unten gerichteten Stoß. »Ich dachte, er würde sie mit der Hand schlagen, und rannte raus, um ihn zur Rede zu stellen. Als ich dort ankam, ging er zurück zu seinem Wagen, und ich sah das Blut unter Mrs. Mancusi. Es breitete sich aus … eine regelrechte Flut … ich habe noch nie etwas Ähnliches gesehen …« Er schauderte.
    »Wie war das mit seinem Alter …?«
    »Ach ja, Entschuldigung … Siebzig? Fünfundsechzig? Fünfundsiebzig? Ich kann es wirklich nicht sagen, ich weiß nur, dass er sich wie ein alter Mann bewegte . Kein Humpeln oder etwas in der Art, nur steif. Als wenn sein ganzer Körper bandagiert wäre.«
    »Langsam.«
    Er dachte nach. »Er lief nicht, aber er zögerte auch nicht. Ich habe eigentlich nur seinen Rücken gesehen. Er ging zu seinem Wagen. Ich nehme an, ich würde es als
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