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Mordgier

Mordgier

Titel: Mordgier
Autoren: Jonathan Kellerman
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mittleres Schritttempo bezeichnen. Normales Gehen. Als hätte er gerade ein Päckchen abgeliefert oder so. Und er schaute nicht zurück. Ich schreie ihn an, und er benimmt sich, als wäre ich nicht da. Der Dreckskerl dreht sich nicht mal zu mir um, geht einfach weiter, steigt in den Wagen und fährt los. Das ist es, was mir zu schaffen macht. Wie normal er sich benahm.«
    »Alles geht seinen gewohnten Gang.«
    Er spielte mit einem losen Faden am Ausschnitt des Sweatshirts.
    »Also haben Sie sein Gesicht gar nicht gesehen«, sagte ich.
    »Nein. Es war verrückt. Ich schreie, so laut ich nur kann, und hoffe, irgendjemand kommt raus, aber es kam keiner.« Er blickte die Straße hoch. »Eine Geisterstadt. Typisch L.A.«
    »Was haben Sie geschrien?«
    »Wer erinnert sich denn an so was …? Wahrscheinlich etwas wie ›Bleib stehen, du Arschloch!‹« Moskow zupfte mit einem Daumennagel am Saum seines Sweatshirts. »Mrs. Mancusi liegt blutüberströmt da, und dieser Dreckskerl schlendert davon, als wäre nichts passiert. Ich bin hinter ihm her, was im Nachhinein betrachtet idiotisch war. Aber man denkt nicht nach. Dann sah ich das Messer und blieb wie angewurzelt stehen.«
    Feuchtigkeit sammelte sich an seinen unteren Lidrändern.
    »Wie haben Sie das Messer gesehen?«
    »Er hat es sich vorn an der Hose abgewischt. Oberhalb des Knies. Ganz beiläufig, als wäre es das Natürlichste auf der Welt.«
    »Und was dann?«, fragte ich.
    »Dann steckte er es in die Tasche, stieg in den Wagen und fuhr los. Die ganze Sache dauerte nur ein paar Sekunden.«
    »Der Motor des Wagens lief?«
    »Ich erinnere mich nicht, dass er ihn gestartet hat, also vermutlich schon. Ich erinnere mich überhaupt nicht an ein Motorengeräusch, aber vielleicht habe ich das ausgeblendet. Dieses Modell ist ziemlich leise.«
    »In welche Richtung ist er gefahren?«
    Er zeigte nach Süden. »Direkt an meinem Haus vorbei.«
    Ich kannte die Umgebung aus meiner Zeit als Doktorand an der Uni, war durch genau diese Straßen auf der Suche nach einer Abkürzung zu meinem trostlosen kleinen Einzimmerapartment an der Overland gewandert. »Es ist ein kleines Labyrinth mit all diesen Sackgassen.«
    Moskow verkrampfte sich. »Meinen Sie, er ist hier aus der Gegend ?«
    »Nein, aber er könnte seinen Fluchtweg geplant haben.«
    »Nun ja, ich habe ihn nie hier in der Umgebung gesehen. Das Gleiche gilt für den Wagen. Das hier ist nicht gerade die Gegend für den S 600.«
    »Nicht viele Mercedes?«
    »Jede Menge Mercedes, aber keine Sechshunderter.«
    »Sie interessieren sich für Autos.«
    »Ich hab ein paar alte Kisten besessen, die ich aufgemöbelt habe.« Er rang sich ein schwaches Lächeln ab. »Hatte mal einen DeLorean. Das war ein Erlebnis. Wovon reden wir hier also, von einem alten Mafioso?«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Ein großer schwarzer Wagen, ein Mord wie eine Hinrichtung, ein Typ in dem Alter. Was mir in den Sinn kam: Vielleicht ist es ein alter Auftragskiller, der nicht ausgebrannt ist.«
    »Gäbe es irgendeinen Grund dafür, dass Mrs. Mancusi etwas mit einem alten Mafioso zu tun haben könnte?«
    »Hätte ich nicht gedacht. Aber wer hätte sich denn das hier vorstellen können?«
    »Wie gut kannten Sie sie?«
    »Gar nicht gut. Sie war still, schien ganz nett zu sein. Wir haben uns auf der Straße gegrüßt, aber das war’s auch schon.«
    »Irgendwelche Bekannten?«
    »Nur dieser Mann, von dem ich dem Lieutenant erzählt habe.«
    »Wie oft war er hier?«
    »Vielleicht einmal pro Monat, deshalb nahm ich an, er wäre ihr Sohn. Könnte aber auch öfter gewesen sein.«
    »Können Sie sonst noch etwas über ihn sagen?«
    »Über vierzig, blond, sieht schlampig aus. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, habe ich sie eigentlich nie zusammen gesehen. Er klopfte an die Tür, und sie ließ ihn rein. Wenn er wieder ging, brachte sie ihn nie nach draußen.«
    »Fiel ihr das Gehen schwer?«
    »Im Gegenteil, sie war gesund und munter.«
    »Können Sie mir noch irgendwas über den blonden Mann erzählen?«
    »Irgendwie gedrungen. Wenn ich sage, schlampig, meine ich, er schien keinen Wert auf seine äußere Erscheinung zu legen.«
    »Haben Sie eine Idee, wie er hieß?«
    »Ich habe nie gehört, wie sie ihn rief. Wie schon gesagt, ich hab sie eigentlich nie zusammen gesehen. Er sah nie glücklich aus, hier zu sein, also gab es vielleicht Spannungen zwischen ihnen. Und beim letzten Mal, als er hier war, vor einem Monat oder so, blieb er draußen und redete mit Mrs. Mancusi
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