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Mord und Brand

Mord und Brand

Titel: Mord und Brand
Autoren: Gerhard Loibelsberger
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stehen. Dann löste sich Nechyba aus ihrer Umarmung. Als sie ihn fragend ansah, gab er ihr ein Busserl und grinste:
    »Jetzt haben wir uns aber einen Schluck Wein verdient…«
    Aurelia nickte, seufzte erleichtert und ließ sich neben ihrer Handtasche auf die Küchenbank fallen. Nechyba kramte von ganz hinten aus dem Kücheneck einen Rotwein aus Tattendorf hervor. Liebevoll beobachtete Aurelia, wie er mit gekonnten Handgriffen die Flasche entkorkte. Dann ging er zur Kredenz, nahm zwei kleine bauchige Weingläser heraus und schenkte ein. Sie hob ihr Glas, blickte ihn an und sagte:
    »Ich hab’ dich ganz, ganz lieb, Joseph…«
    Er stieß mit ihr an, nippte am Glas, schüttelte dann den Kopf und sagte:
    »Sind wir jetzt wieder per Sie? Dass du Joseph zu mir sagst, ist mir gar net recht. Bleib doch beim Nechyba. An den hab ich mich gewöhnt. Vor allem weil du’s immer so liebevoll sagst…«
    Aurelia musste lachen:
    »Einmal möchte ich dir a Freud machen und dich mit deinem Vornamen anreden und dann bestehst auf Nechyba… Du bist mir einer!«
    Damit trank sie aus, spürte, wie ihr der Wein– sie hatte seit Mittag nichts mehr gegessen– in den Kopf stieg, stellte das Glas ab und stand auf. Wie ein junges Mädchen setzte sie sich auf Nechybas Schoß und schmuste ihn ab. Als er recht stürmisch ihre Zärtlichkeiten erwiderte, packte sie seine Riesenpranke und zog ihn ins angrenzende Zimmer, wo sie ihm einen Schubser gab, dass er krachend auf die Matratze des Ehebetts fiel.
     
    Sie streichelte über seinen nackten Bauch, der sich im Rhythmus seiner Atemzüge hob und senkte. ›Wie ein Eisberg, der in den Wellen des Nordmeeres auf- und niederschaukelt‹, dachte sie. Tief sog sie seinen Körpergeruch sowie die Aromen des gemeinsamen Liebesaktes ein. Sie gab dem Eisberg einen leichten Klaps, stand auf, hüllte sich in ihren Schlafrock und verließ das Zimmer. In der Küche griff sie nach dem am Boden stehenden Wasserkrug und schenkte sich ein Glas Wasser ein. Nachdem sie getrunken hatte, heizte sie den Herd ein und stellte Wasser zum Heißwerden auf; einerseits zum Waschen und andererseits um die Frankfurter zu kochen, die Nechyba gekauft hatte. In der Zwischenzeit genemigte sie sich noch ein Gläschen Rotwein und aß dazu, da sie einen Mordshunger hatte, das Salzstangerl, das sie bei den Einkäufen fand. Am Wein nippend, erinnerte sie sich, dass Nechyba das Portemonnaie und die Brieftasche des Fremden in ihre Handtasche gesteckt hatte. Neugierde packte sie, und so legte sie die Besitztümer des Toten auf den Küchentisch. Das Portemonnaie enthielt etwas Kleingeld sowie einige 5-, 10- und 20-Kronen-Scheine. ›Ganz schön viel Geld‹, dachte sich Aurelia. Andererseits war der Kerl, der sie überfallen hatte, ja gut gekleidet. Außerdem waren ihr seine teuren, wahrscheinlich maßgefertigten Schuhe aufgefallen, als er tot vor ihr gelegen war. ›Komisch, dass so ein feiner Herr, eine einfache Köchin überfällt…‹ Noch merkwürdiger war der Inhalt der Brieftasche. Sie enthielt ein Entlassungspapier aus der Strafanstalt Stein, das auf den Namen Nepomuk Budka lautete, eine Visitenkarte, auf der Giuseppe Hmelak stand, sowie ein sorgsam zusammengefalteter Zettel. Als sie das Papier neugierig auffaltete, packte sie das blanke Entsetzen. Denn darauf stand mit feiner, femininer Handschrift geschrieben:
    Friederike Nemec muss ebenfalls sterben. Sie arbeitet im Verschleißmagazin des Ersten Wiener Consum-Vereins in Wien V, Pilgramgasse 16.
     
     
     

XII/2.
    »Himmelherrgottsakrament! Was um alles in der Welt ist Ihnen da eingefallen? Sind Sie vom wilden Schwein gebissen? Mit diesem öffentlichen Auftritt haben Sie das ganze Polizeiagentenkorps und darüber hinaus die gesamte Sicherheitswache lächerlich gemacht. Da, lesen Sie! ›Bloßfüßig verfolgte Joseph Maria Nechyba, Inspector des k.k. Polizeiagenteninstituts, einen bislang noch nicht identifizierten Gewalttäter, der dessen Frau Aurelia im Stiegenhaus brutal überfallen hatte…‹ Bloßfüßig, Nechyba! Bloßfüßig! Da steht es! Schwarz auf weiß!«
    Zentralinspector Dr. Ignaz Pamer drückte Nechy-
ba die Zeitung in die Hand, sprang hinter seinem Schreibtisch auf und ging wie ein gereizter Tiger im Zimmer auf und ab. Nechyba war wie vor den Kopf gestoßen. Nicht nur, dass er nichts dabei fand, bloßfüßig einen Verbrecher zu stellen, er war sogar stolz darauf. Er verstand die Welt nicht mehr. Auf dem Weg ins Büro heute Morgen hatte er den Polizeiagenten Drabek
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