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Mord nach Liste

Mord nach Liste

Titel: Mord nach Liste
Autoren: Julie Garwood
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wo sie sich gerade befand oder wer in der Nähe war.
    Wenn Regan traurig war, missachtete sie alle Vorschriften, die ihre Mutter ihr mühsam eingetrichtert hatte. Immer wieder wurde Regan ermahnt, sie solle sich wie eine Dame benehmen, doch sie wusste nicht genau, was das bedeutete. Außer dass man beim Sitzen die Knie zusammendrücken musste. Regan konnte einfach nicht still vor sich hin leiden, auch wenn man das bei den Madisons so tat. Sie legte auch keinen gesteigerten Wert auf Tapferkeit – wenn es ihr schlecht ging, dann erfuhr es die ganze Familie.
    Leider war im Moment nur Aiden zu Hause. Er hatte nicht viel Verständnis, wollte als Ältester wohl nicht mit den Sorgen einer Fünfjährigen belästigt werden. Er konnte es nicht leiden, wenn Regan weinte. Sie heulte trotzdem.
    Regan putzte sich die Nase, wusch sich das Gesicht und zog sich um. Dann legte sie ihre Uniform ordentlich zusammen und warf sie in den Müll. Da sie nie wieder in diese schreckliche Schule gehen würde, brauchte sie die hässlichen Sachen nicht mehr. Sie zog eine kurze Hose mit passendem Oberteil an und missachtete eine weitere Vorschrift, indem sie barfuß den Flur entlang zum Zimmer ihres Bruders lief.
    Vorsichtig klopfte sie an. »Kann ich reinkommen?«
    Ohne die Antwort abzuwarten, öffnete Regan die Tür, lief quer durch den Raum zu Aidens Bett und sprang auf die weiche Tagesdecke. Im Schneidersitz setzte sie sich hin, zerrte die von der Schule genehmigten Spangen aus dem Haar und legte sie sich in den Schoß.
    Aiden wirkte gereizt. Er saß im Rugby-Trikot am Schreibtisch, vor sich seine Schulbücher. Regan merkte nicht, dass er telefonierte, bis er sich verabschiedete und auflegte.
    »Du darfst erst reinkommen, wenn ich es dir sage!«, erklärte er. »Man platzt nicht einfach so herein!« Als Regan nicht antwortete, lehnte er sich auf seinem Stuhl zurück, betrachtete ihr Gesicht und fragte: »Hast du geweint?«
    Sie überlegte und beschloss, noch eine Regel zu brechen: Sie log. »Nein«, sagte sie, den Blick fest auf den Boden gerichtet.
    Er wusste, dass sie nicht die Wahrheit sagte, entschied sich aber, ihr keinen Vortrag über Ehrlichkeit zu halten. Seine kleine Schwester schien ziemlich durcheinander zu sein. »Ist alles okay?«, fragte er, obwohl er genau wusste, dass etwas passiert war.
    Sie wollte ihn nicht ansehen. »Doch …«, antwortete sie gedehnt.
    Aiden seufzte laut. »Ich habe jetzt keine Zeit, um zu raten, was das Problem sein könnte, Regan. Ich muss gleich zum Training. Du musst mir schon sagen, was los ist.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Alles okay. Wirklich.«
    Mit dem Finger malte sie Kreise auf die Tagesdecke. Aiden gab auf. Er beugte sich vor und zog die Schuhe an. Plötzlich fiel ihm ein, dass heute Regans erster Schultag in Briarwood gewesen war. Beiläufig fragte er: »Wie war’s denn in der Schule?«
    Ihre Reaktion traf ihn völlig unvorbereitet. Sie brach in Tränen aus und warf sich aufs Bett, vergrub das Gesicht in der Bettdecke und wischte sich Augen und Nase daran ab.
    Dann erzählte sie, was sich in ihr angestaut hatte. Leider ergab ihre Schilderung überhaupt keinen Sinn.
    Ohne Punkt und Komma sprudelte es aus ihr heraus: »Ich hasse die Schule und gehe da nie wieder hin, nie wieder, weil, wir durften nichts essen, und ich musste die ganze Zeit still sitzen, und das eine Mädchen hat geweint, weil das andere große Mädchen sie geärgert hat, das große Mädchen hat gesagt, wenn wir das den Lehrern petzen, macht sie uns fertig, und ich wusste nicht, was ich machen sollte, deshalb bin ich in der Pause mit dem Mädchen an dem Haus vorbeigegangen und bin bei ihr geblieben, aber ich geh da nie wieder hin, weil das große Mädchen morgen die andere wieder fertigmachen will.«
    Aiden war sprachlos. Regan war völlig in Tränen aufgelöst. Wenn sie nicht so unglücklich gewesen wäre, hätte er gelacht. Was für ein Drama! Das hatte seine Schwester von der Hamilton-Seite der Familie. Alle Hamiltons waren nah am Wasser gebaut. Er, Spencer und Walker kamen zum Glück eher nach den Madisons, waren viel zurückhaltender.
    Regan heulte so laut, dass Aiden das Klopfen an der Tür überhörte. Spencer und Walker kamen hereingestürmt. Beide Brüder sahen aus wie Aiden: groß, schlaksig, schwarzhaarig. Spencer war fünfzehn und hatte von den dreien das weicheste Herz. Walker war gerade vierzehn geworden. Er war ein Draufgänger – unbekümmert und wagemutig. Er sah aus, als käme er vom Schlachtfeld: Seine
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