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Mord inclusive

Mord inclusive

Titel: Mord inclusive
Autoren: Janice Hamrick
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entgeistert angestarrt, weil mir nicht gleich eine schlagfertige Entgegnung einfiel. Ich musste wohl froh sein, dass ich nichts Blamableres bei mir hatte. Und ich war mir ziemlich sicher, dass sie mir bei der Gelegenheit den erst am Vortag im Hotelshop erworbenen Lippenbalsam mit Erdbeergeschmack gestohlen hatte.
    Millie ist  ... pardon, war  ... der lebende Beweis dafür, dass sich der Mensch nach der Highschool nicht mehr wesentlich ändert. In einer Schule von der Größe wie die, in der ich arbeite, laufen einem jeden Tag ein Dutzend Millies über den Weg. So ein Mädchen drängt sich in eine Gruppe hübscher und beliebter Gleichaltriger wie eine streunende Katze, ohne zu begreifen, welches Unbehagen es dort auslöst, und ohne zu ahnen, was es tun müsste, um dazuzugehören. Die netteren Mädchen dulden es eine Zeitlang, bis sie sich mit Hausaufgaben oder Verabredungen herausreden. Die boshafteren springen rüde mit ihm um und wetzen ihre rasiermesserscharfen Zungen an ihm, bevor sie angesichts seiner absoluten Begriffsstutzigkeit entrüstet davonschweben. Die Millies der Highschool brechen mir das Herz, was sie als Erwachsene aber nicht erträglicher macht.
    Kein Wunder, dass unsere Millie allein reiste. Allen hatte sie bereits ausführlich erzählt, ihre Reisebegleiterin habe nur Stunden vor dem Abflug eine Blinddarmentzündung bekommen. Für meine Begriffe war diese Person entweder frei erfunden, oder sie hatte ihren Blinddarm selber mit einem Eispickel bearbeitet. Meine Reisegefährtin, Cousine Kyla, war für die erste Variante, die sie damit begründete, dass sich niemand freiwillig auf eine Reise mit Millie einlassen würde. Ich setzte auf die zweite, wofür ich ins Feld führte, dass die Auswahl von Mitreisenden zu den Phänomenen gehöre, die absolut unerklärbar seien. Nach einem winzigen Moment stimmte sie mir zu. Sie begriff sofort.
    »Du Biest«, sagte sie bewundernd.
    Aber das war gestern. Heute strahlte die Märzsonne bereits durch den Dunst, und die arme, bedauernswerte Millie Owens war tot, was ihr ganz sicher niemand gewünscht hatte. Über unserer schönen Ägyptenreise lag nun ein dunkler Schatten.
    An die Steine der Pyramide gelehnt, die sich in der Morgenluft noch kühl anfühlten, dachte ich darüber nach, wie viele Menschen wohl im Laufe der Jahrtausende hier gestanden hatten, seit sie an diesem Ort lagen. Vielleicht nicht gar so viele. Hatten die Ägypter viel Zeit in einer solchen Totenstadt verbracht, nachdem sie die Pharaonen hier zur letzten Ruhe gebettet hatten? Während der Bauarbeiten musste die riesige Nekropole, fast eine kleine Stadt, ein belebter Ort gewesen sein. Aber was geschah danach, wenn die Bauarbeiten beendet waren und der neue Pharao fern von hier Kriege führte oder bereits neue Monumente errichten ließ? Ich stellte mir eine himmlische Ruhe vor, in der der Wind immer mehr Sand auf die Steine häufte, bis sie fast ganz von der Wüste verschlungen waren.
    Jetzt herrschte genau das Gegenteil von Ruhe. Die Polizisten befragten die Händler. Noch nie hatte ich so viel Geschrei aus so geringem Anlass gehört. Zwar verstand ich nach zwei Monaten Beschäftigung mit den CDs des Sprachverlages Pimsleur nicht mehr als ein paar Worte Arabisch, aber es war nicht zu übersehen, dass die Polizisten aus den Umstehenden nichts herausbekamen. Wildes Gefuchtel, heftiges Kopfschütteln und Schulterzucken, aber keinen zusammenhängenden Satz. Millie war angeblich irgendwie auf einen der gigantischen Steinblöcke der Pyramide geklettert und von dort in den Tod gestürzt.
    Das klang wenig plausibel. Die Blöcke waren zwar groß und viel zu hoch, als dass eine ungeübte Touristin ohne Hilfe überhaupt dort hinaufgelangen konnte, aber riesig waren sie gerade nicht. Wer aus einer Höhe von höchstens 1,80 Metern herunterfiel, konnte sich vielleicht den Arm oder einen Hüftknochen brechen, dachte ich bei mir und ließ meinen Blick über die uralten, verhutzelten Gestalten von Charlie und Yvonne de Vance gleiten, aber das Genick? Vielleicht hatte sie es ja auf den nächsten Block geschafft und war auf dem ersten aufgeschlagen, bevor sie ganz herunterfiel?
    Ein Polizist winkte unserer Reiseführerin Anni, die mit ihm ein paar Schritte zur Seite ging. Anni war eine entzückende Mischung aus traditionsbewusster und moderner Ägypterin. Etwas jünger als ich, vielleicht Mitte zwanzig, hatte sie große dunkle Augen, die sie mit Eyeliner und Mascara betonte. Sie trug einen leichten Rolli, an dem
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