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Mord inclusive

Mord inclusive

Titel: Mord inclusive
Autoren: Janice Hamrick
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Gruppe wechselte nach und nach von Angst und Schrecken zu gereizter Langeweile. Derartige Veränderungen in einer Gruppe, völlig unabhängig von ihrer Zusammensetzung, habe ich oft beobachtet. Sie begegnet mir in meinem Unterricht. Eine Periode der Weltgeschichte kann in der Klasse faszinierend und unterhaltsam sein, während eine andere zur echten Qual wird und ich Mühe habe, die Schüler wach zu halten. Bei Erwachsenen ist das nicht viel anders. Kaum ein paar Stunden beisammen, waren wir bereits zu einer Einheit mit eigenen Bedürfnissen und Absichten verschmolzen. Ich blickte mich um und konnte klar erkennen, dass zwar jeder Einzelne noch Bedauern und Anteilnahme zu verspüren glaubte, die Gruppe als Ganzes aber müde und gelangweilt war und das Tagesprogramm fortsetzen wollte. Schließlich hatten wir nur eine Woche in Ägypten, und niemandem brach es das Herz, dass Millie Owens unsere Reiseführerin nun nicht mehr mit Beschlag belegen, in anderer Leute Taschen herumschnüffeln und alle möglichen dümmlichen Fragen stellen konnte. Die Gruppe war bereit, zur Tagesordnung überzugehen.
    Schließlich kam Anni mit gebührend trauriger und sorgenvoller Miene zu uns zurück. Rasch und lautlos zählte sie die Anwesenden auf Arabisch durch.
    »Wo sind Flora und Fiona? Hat sie jemand gesehen?«, fragte sie.
    Es folgten gemeinschaftliches Seufzen und gereizte Blicke. Die verwirrten Alten waren noch kein einziges Mal pünktlich gewesen. Bei der Vorstellung am Tag zuvor hatten sie behauptet, sie seien Schwestern. Sie sahen sich aber überhaupt nicht ähnlich. Flora hatte kurzes graues Haar, an den Schläfen geschnitten wie bei einem Mann, aber mit einer lächerlichen lockeren Rolle auf dem Kopf. Sie starrte durch ihre Brillengläser, als seien sie trübe, und konnte sich nicht richtig konzentrieren. Fiona war dürr und groß, hatte sehr dünnes schwarzes Haar, das ihr völlig ungezähmt um den Kopf flatterte. Irgendeine Strähne stand stets nach einer Seite ab, wodurch ihr Aussehen ständig wechselte. Sie trug eine kühn geschwungene Hornbrille und hatte große Hände, die an Klauen erinnerten. Ich gebe zu, dass ich verstohlen nach einer Spur von einem Adamsapfel suchte, als ich sie zum ersten Mal sah.
    Schließlich entdeckte DJ die beiden bei einem Polizisten, der auf einem Kamel saß. Das Kamel und der Beamte schienen sie ungläubig zu mustern. Die beiden studierten eine Karte, die im Wind flatterte, und gestikulierten dabei heftig. DJ rief ihnen etwas zu und winkte mit dem Hello-Kitty-Schirm, während Anni zu ihnen lief, um sie zu der Gruppe zu holen.
    Als sie endlich ankamen, waren sie fürchterlich aufgeregt. »Wir konnten Sie nicht finden. Wir hatten Angst, Sie wären ohne uns abgefahren«, stieß Fiona atemlos hervor.
    »Ja, wir haben uns alle hinter dem großen rosa Schirm versteckt«, murmelte Kyla vor sich hin.
    »Na, dann sind wir ja alle wieder beisammen«, sagte Anni. »Und Mohamed kommt auch gerade«, fügte sie hinzu. Damit meinte sie ihren Partner, der die meisten von uns am Flugplatz erwartet und uns rasch und problemlos durch den Zoll bugsiert hatte. »Er wird sich um alles kümmern, was die ...« Sie stockte.
    Man sah, dass sie nicht wusste, wie sie den Leichnam bezeichnen sollte. Aber schon sprach sie tapfer weiter: »... was Millie betrifft. Ich habe der Polizei gesagt, dass wir keine Ahnung haben, wie sich die Sache abgespielt hat. Wir können also jetzt gehen. Was wollen wir tun? Wir können zum Hotel zurückfahren und uns ein wenig von dem Schreck erholen«, schlug sie vor.
    Die Gruppe protestierte laut. Wir waren in Kairo. Wir standen auf der sonnenbeschienenen Seite der viertausend Jahre alten Pyramide des großen Pharaos Chephren. Zwanzig Schritt entfernt führte ein geheimnisvoller Tunnel, vor dem dunkelhäutige Männer in flatternden Galabiyas Wache hielten, tief hinab ins Herz der Pyramide. Ganz in der Nähe, in der Richtung, aus der der Wind kam, warteten Kamelkarawanen unter der Führung rätselhafter Wüstenbewohner, die zudem auch noch mit Digitalkameras umzugehen verstanden. Ins Hotel zurückfahren? Nur über unsere Leichen.
    Schließlich ließ sich Alan Stratton hören. »Ich denke, wir alle wollen weitermachen wie geplant«, sagte er mit fester Stimme.
    Ich blickte ihn forschend an. Wieder fiel mir auf, dass er keinen Ehering trug. Er war hochgewachsen, Anfang dreißig und reiste ohne Begleitung, was ihn zum interessantesten Mitglied unserer Gruppe gemacht hätte, auch wenn er nicht so
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