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Mord in Tarsis

Mord in Tarsis

Titel: Mord in Tarsis
Autoren: John Maddox Roberts
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nachgekommen bin.«
    Der in Samt gekleidete Mann schien kurz vor einem Wutausbruch zu stehen, doch er bezähmte sich. »Nun gut, wenn du eine so hohe Meinung von dir hast… Dann bring ihn einfach um und hol dein Geld ab.«
    »Nur um das klarzustellen«, sagte Nistur einigermaßen besänftigt. »Ihr werdet es erfahren, wenn meine Tat vollbracht ist, denn Ihr habt Leute, die Euch alles zutragen, was in dieser Stadt geschieht. Wenn Ihr auf diese Weise Nachricht bekommt, schickt Ihr mir den Rest hierher.«
    »Wie du wünschst«, sagte der Adlige. Er rückte die Halbmaske über seinem Gesicht zurecht. »Ich erwarte nicht, dich wiederzusehen. Am besten verläßt du die Stadt, sobald du dein Blutgeld erhalten hast, Assassine.«
    »Ich weiß nicht, was mich hier noch halten sollte, wenn ich mich Eurer Gegenwart nicht mehr erfreuen kann, mein Herr«, sagte der andere.
    Der Mann in Samt drehte sich abrupt um, riß die Tür auf und verschwand in einem Wirbel aus Mantelsäumen und blinkenden Silberfäden.
    Die Tür ging wieder zu, und Nistur seufzte. Schon damals, als er diesen traurigen Beruf ergriffen hatte, hatte er gewußt, daß er im Dienst solcher Männer stehen würde. Er wußte auch, daß der Mann, der ihn angeheuert hatte, versuchen würde, ihn nach Erfüllung des Auftrags umzubringen, wahrscheinlich durch die Person, die mit dem Rest des Geldes geschickt werden würde. Männer dieser Klasse redeten viel von ihrer Ehre, aber ehrenhaftes Verhalten kümmerte sie nur gegenüber Gleichrangigen und Höhergestellten, und auch dann nur, wenn sie einen persönlichen Vorteil für sich darin erkannten. Nistur war in der Vergangenheit dazu gezwungen gewesen, viele solcher Kunden zu bestrafen.
    Er füllte seinen Kelch nach und drehte sich zum Fenster um. Beim Nippen versuchte er sich an das Gedicht zu erinnern, mit dem er vorhin begonnen hatte, stellte jedoch fest, daß es ihm entfallen war. Er zuckte mit den Schultern. Unwichtig. Die Stadt Tarsis schien ihm jetzt eines guten Gedichtes unwürdig. Sollte sie sterben und vergessen werden.
    Die Nachtwache hatte unten auf der Straße bereits die Körper weggeschleppt. Dunkle Pfützen standen in der verschneiten Straße, man sah lange Streifen, wo die Körper entlanggezogen worden waren, und ein blutiger Bogen, von dessen regenbogenartiger Wölbung lange, dünne Rinnsale herabliefen, spannte sich über eine weißgetünchte Wand. Der silberne Mond beschien das Bild mit großer Klarheit, aber er entzog ihm auch alle Farbe. Nistur fühlte sich zu einem anderen Gedicht getrieben, diesmal im knappen, eleganten Stil des Versmaßes von Istar:
    Blut auf dem Schnee
    Hell scheint das Antlitz des Silbermonds
    Auf das Blut der Unwürdigen
    Wird einst der nächtliche Mond oder die Tagessonne
    Auf das Blut meines Lebens scheinen?
    Hocherfreut über die Ausübung seines Talents bereitete sich Nistur darauf vor, sich auszuziehen und die Aufgabe anzugehen, für die er angeheuert worden war.
    Aus alter Gewohnheit griff er in sein Wams und vergewisserte sich, daß der kurze, zweischneidige Dolch an seinem gewohnten Platz war. Er hing an einer Schnur um seinen Hals. Danach tauchte seine Hand in die umgeschlagene Kante seines rechten Stiefels und fühlte nach dem flachen Knochengriff seines Hirschfängers. Alles war in Ordnung. Er schnallte den Säbel mit dem Korbgriff um und hängte die kleine Tartsche an den Haken seiner Schwertscheide. Von einem Ständer an der Tür nahm er seinen breitkrempigen, flachen Hut, der mit langen Federn geschmückt war. Dünne Messer waren in die Kante der Krempe eingenäht. Er warf einen pelzbesetzten Mantel über die Schultern und zog zu guter Letzt ein paar Handschuhe aus feinem Ziegenleder an, die mit bunten Fäden bestickt waren.
    So ausgerüstet verließ Nistur das Zimmer, stieg zwei Treppen hinunter, lief durch die Gaststube und trat hinaus in die kalte Nacht – allem Anschein nach ein gewöhnlicher Bürger mit nur einer einzigen Waffe, die zudem das gewöhnliche Schwert der Städter war, das von Aristokraten und Berufskämpfern gleichermaßen verachtet wurde.
    Die Taverne trug den Namen »Zum Ertrunkenen Seefahrer«. Sie war aus Holz und Stein, wobei das Holz größtenteils von alten Schiffen geraubt worden war. Obwohl das Meer, das einst nur wenige Schritte entfernt die Werften umspült hatte, längst verschwunden war, hatte sich der Ort eine gewisse nautische Ausstrahlung bewahrt, wie in den Tagen, als er wirklich noch Seeleute versorgt hatte. In den Ecken, die vom
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