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Mord in Tarsis

Mord in Tarsis

Titel: Mord in Tarsis
Autoren: John Maddox Roberts
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habe meine Auftraggeber stets zufriedengestellt.«
    »Mein eigener Name geht dich nichts an«, sagte der Mann in Samt hochmütig.
    »Aus diesem Grund habe ich Euch auch nicht danach gefragt.«
    Der Aristokrat fühlte sich ein wenig vor den Kopf gestoßen, denn er war ein gewisses Maß an Unterwürfigkeit gewöhnt, selbst von Menschen mit einem erschreckenden Ruf, wie er diesem Mann vorauseilte. Genaugenommen entsprach dieser Kerl gar nicht seinen Erwartungen, so daß er die Gestalt vor sich mit einiger Sorgfalt betrachtete, während er sich seine nächsten Worte überlegte.
    Der Mann mit dem Namen Nistur war klein und ziemlich rundlich. Sein Wams aus weichem braunen Leder spannte über seinem Schmerbauch, und die rauhere Seite war stellenweise schon abgetragen und glänzend. Seine gelben Stiefel waren einst schön gewesen, jetzt jedoch fleckig und abgelaufen. Sie reichten ihm bis über den halben Oberschenkel, wo sie umgeschlagen waren. Zwischen Wams und Stiefeln trug er eine ausgebeulte schwarze Pumphose mit orangen Streifen. Sein weißes Leinenhemd, dessen Ärmel am Unterarm eng anlagen und am Oberarm weit wurden, war an Kragen und Manschetten etwas ausgefranst.
    Doch trotz alledem umgab den Mann eine Aura von Sauberkeit und Präzision. Seine breiten Hände mit den langen Fingern waren tadellos gepflegt. Die Enden seines Schnurrbarts waren sorgfältig gezwirbelt und der Bart zu einer symmetrischen Spitze gestutzt. Das volle, lockige schwarze Haar hörte einen Fingerbreit über seinen Ohren auf, so daß eine bloße, glänzende Schädelkuppel den Feuerschein widerspiegelte. Unter den sardonisch gewölbten Brauen waren seine Augen schwarz und sein Blick stechend und fest.
    »Ich habe bei Eurem Eintreffen gerade an einem Gedicht über den nahezu tragischen Niedergang Eurer Stadt gearbeitet«, sagte Nistur.
    »Größere Dichter als du haben das zu ihrem Lebenswerk gemacht«, sagte der andere voller Hohn über diese Anmaßung. »Und wie kommst du darauf, dieses Thema nur für nahezu tragisch zu halten?« Noch während er dies sagte, war er unzufrieden mit sich, weil er ein Interesse an den Gedanken eines solchen Mannes eingestand.
    »In den großen Tragödien verschwinden Städte auf dem Höhepunkt ihres Ruhms, so wie Istar. Wenn eine große Stadt jedoch so eingeschränkt weiterleben muß, ist dies nicht edel und kein passendes Thema für ein echtes Epos.«
    »Ich bin nicht hierhergekommen, um über Dichtkunst zu sprechen«, sagte der Aristokrat. »Ich wünsche den Tod eines Mannes. Ist das nicht dein Metier?«
    »Das ist es allerdings«, erwiderte Nistur. »Eigentlich bin ich Dichter, aber diese Zeiten sind einem, der diese heilige Gabe ausüben will, nicht wohlgesonnen, deshalb brauche ich eine Möglichkeit, mir mein Brot zu verdienen. Ich habe den uralten, ehrwürdigen Beruf des Assassinen ergriffen.«
    »Umschreib deinen Beruf, wie du willst«, sagte der Mann in Samt, der seinen langen, leicht grauen Schnurrbart mit einem Finger glattstrich, an dem über dem Handschuh ein goldener Ring glänzte, der wie ein Drache gearbeitet war, welcher in den Klauen eine riesige blaue Perle hielt. »Der Mann, der sterben muß, nennt sich Eisenholz. Er ist ein Söldner und wohnt zur Zeit in einem Gasthaus am ehemaligen Hafen, wie es bei seinesgleichen beliebt ist. Warum er sterben muß – «
    »Geht mich nichts an. Ja, ich weiß. Wenn Ihr Euch nicht gezwungen fühlt, Eure Gründe dafür zu nennen, weshalb Ihr einen Mörder anheuert, dann fühlt Euch bitte auch nicht dazu aufgerufen, mich an diesen Umstand zu erinnern. Ihr seid nicht mein erster Auftraggeber.«
    Fassungslos über diese Unverschämtheit wollte der Adlige den Assassinen gerade zurechtweisen, als sie von Geräuschen unterbrochen wurden, die unten von der Straße kamen. Einem Austausch verärgerter Rufe, die durch das Echo von den vielen verwinkelten Mauern an der engen Straße verwischt wurden und unzusammenhängend klangen, folgte das Klirren von Stahl auf Stahl. Der Klang des Metalls hatte einen faden, blechernen Unterton, dem die erfahrenen Ohren der beiden Männer oben entnahmen, daß er von Waffen mäßiger Härte stammte.
    Die zwei traten ans Fenster und beobachteten interessiert das Schauspiel unter ihnen, jeder aus seinen eigenen Gründen. Der Aristokrat hob seine Halbmaske, um besser sehen zu können, hielt sein Gesicht jedoch halb abgewandt und schirmte sich mit einer Hand gegen Nisturs Blick ab. Der Assassine versuchte nicht einmal, an dem Samthandschuh
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