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Mord im Orientexpress

Mord im Orientexpress

Titel: Mord im Orientexpress
Autoren: Agatha Christie
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sanftmütiger Mensch – ganz anders als diese widerlichen italienischen Mordgesellen, von denen man immer wieder liest.»
    Er hielt inne.
    Poirot sah ihn unentwegt an.
    «Ist das alles, was Sie zu sagen haben?»
    «Das ist alles, Sir.»
    Er schwieg, und als auch Poirot nichts sagte, verabschiedete er sich mit einer kleinen Verbeugung und verließ nach kurzem Zögern den Speisesagen auf die gleiche ruhige, unaufdringliche Weise, wie er gekommen war.
    «Das ist ja unglaublicher als jeder roman policier, den ich je gelesen habe!», rief Dr. Constantine.
    «Das finde ich auch», sagte Monsieur Bouc. «Neun von den zwölf Leuten in diesem Wagen hatten erwiesenermaßen eine Beziehung zum Fall Armstrong. Was kommt als Nächstes, frage ich Sie? Oder sollte ich fragen, wer kommt als Nächstes?»
    «Ich kann Ihnen diese Frage schon fast beantworten», sagte Poirot. «Da kommt unser amerikanischer Spürhund, Mr. Hardman.»
    «Kommt er auch, um ein Geständnis abzulegen?»
    Bevor Poirot antworten konnte, war der Amerikaner schon an ihrem Tisch. Er sah sie alle drei neugierig an, setzte sich und begann sogleich zu näseln:
    «Können Sie mir sagen, was in diesem Zug los ist? Mir kommt das hier vor wie in einem Irrenhaus.»
    Poirot zwinkerte ihm zu.
    «Sind Sie völlig sicher, Mr. Hardman, dass Sie nicht der Gärtner der Armstrongs waren?»
    «Die hatten keinen Garten», erwiderte Mr. Hardman kurz und bündig.
    «Oder der Butler?»
    «Ich hätte nicht die feinen Manieren für so ein Haus. Nein, ich hatte nie etwas mit dem Haus Armstrong zu tun – aber so ganz allmählich glaube ich, dass ich der Einzige im ganzen Zug bin! Das ist ja nicht zu überbieten, sage ich, nicht zu überbieten!»
    «Jedenfalls ist es recht erstaunlich», erwiderte Poirot nachsichtig.
    «C ’ est rigolo!», brach es aus Monsieur Bouc heraus.
    «Haben Sie sich selbst schon irgendeine Meinung über dieses Verbrechen gebildet, Mr. Hardman?», fragte Poirot.
    «Nein, Sir. Ich bin nur völlig baff. Ich wüsste nicht, wie ich da durchblicken sollte. Die können doch nicht alle drinstecken; aber wer von ihnen es nun war, das ist mir zu hoch. Wie haben Sie das nur alles herausgekriegt, das würde mich mal interessieren.»
    «Ich habe nur geraten.»
    «Dann sind Sie, glauben Sie mir, der größte Rätselrater aller Zeiten. Jawohl, das werde ich der ganzen Welt verkünden: Sie sind der größte Rätselrater aller Zeiten.»
    Mr. Hardman lehnte sich zurück und sah Poirot bewundernd an.
    «Sie werden entschuldigen», sagte er, «aber wenn man Sie so ansieht, sollte man das gar nicht denken. Ich ziehe den Hut vor Ihnen. Doch, ehrlich.»
    «Zu freundlich von Ihnen, Mr. Hardman.»
    «Keineswegs. Man muss es Ihnen wirklich lassen.»
    «Trotzdem, Mr. Hardman», sagte Poirot, «ist das Rätsel noch nicht ganz gelöst. Oder können wir schon mit Fug und Recht sagen, dass wir wissen, wer Mr. Ratchett getötet hat?»
    «Fragen Sie nicht mich», sagte Mr. Hardman. «Ich sage dazu gar nichts. Ich bewundere Sie nur aufrichtig. Was ist denn mit den letzten beiden, an denen Sie Ihre Ratekunst bisher noch nicht erprobt haben – der alten Amerikanerin und der Zofe? Bei denen können wir wohl annehmen, dass sie die einzigen Unschuldigen in diesem Zug sind?»
    «Falls», meinte Poirot lächelnd, «wir sie nicht doch noch irgendwie in unserer Sammlung unterbringen können – sagen wir als die Haushälterin und die Köchin der Armstrongs.»
    «Also, mich würde jetzt nichts auf der Welt noch überraschen», stellte Mr. Hardman ergeben fest. «Ein Irrenhaus, sage ich – ein Irrenhaus ist das hier.»
    «Ah, mon cher», meinte Monsieur Bouc, «das würde den Zufall nun doch ein wenig arg strapazieren. Sie können nicht alle drinstecken.»
    Poirot sah ihn an.
    «Sie verstehen nichts», sagte er, «Sie verstehen gar nichts. Oder sagen Sie mir – wissen Sie schon, wer Ratchett getötet hat?»
    «Sie vielleicht?», fragte Monsieur Bouc zurück.
    Poirot nickte.
    «Ja», sagte er. «Und ich weiß es schon einige Zeit. Es liegt so klar auf der Hand, dass ich mich nur wundern kann, wieso Sie es nicht auch sehen.» Er blickte Hardman an und fragte: «Und Sie?»
    Der Detektiv schüttelte den Kopf. Er beäugte Poirot neugierig.
    «Ich weiß es nicht», sagte er, «ich weiß es ganz und gar nicht. Wer denn?»
    Poirot schwieg eine Weile. Dann sagte er:
    «Wenn Sie so freundlich wären, Mr. Hardman, dann rufen Sie doch mal alle hierher. Es gibt für diesen Fall zwei mögliche Lösungen. Und beide
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