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Mord im Orientexpress

Mord im Orientexpress

Titel: Mord im Orientexpress
Autoren: Agatha Christie
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mit der Sache von letzter Nacht nichts zu tun. Ich habe keine Sekunde mein Abteil verlassen. Der Engländer mit dem langen Gesicht, er kann es Ihnen sagen. Ich habe das Schwein nicht umgebracht, diesen Ratchett. Sie können mir gar nichts beweisen.»
    Poirot schrieb etwas auf ein Blatt Papier. Dann blickte er auf und sagte ruhig: «Gut, Sie können gehen.»
    Foscarelli blieb verlegen stehen.
    «Sie wissen doch, dass ich es nicht war – dass ich unmöglich etwas damit zu tun haben kann?»
    «Ich sagte, Sie können gehen.»
    «Das ist ein Komplott! Sie wollen mir etwas anhängen! Und alles für so ein Schwein von einem Mann, der auf den Stuhl gehört hätte! Es war eine Schande, dass sie ihn nicht haben brutzeln lassen. Wenn ich das gewesen wäre – wenn sie mich verhaftet hätten –»
    «Aber Sie waren es nicht. Sie hatten mit der Entführung des Kindes nichts zu tun.»
    «Was sagen Sie da! Diese Kleine – sie war die Freude des ganzen Hauses. Tonio hat sie mich genannt. Und sich ins Auto gesetzt und Lenken gespielt. Alle waren ganz vernarrt in sie! Das hat sogar die Polizei begriffen. Oh, diese schöne bambina.»
    Seine Stimme war ganz weich geworden, und Tränen stiegen ihm in die Augen. Dann machte er plötzlich auf dem Absatz kehrt und verließ den Speisewagen.
    «Pietro», rief Poirot.
    Der Kellner kam angerannt.
    «Nummer zehn – die Schwedin.»
    «Bien, Monsieur.»
    «Noch eine?», rief Monsieur Bouc. «Aber nein – das ist nicht möglich. Ich sage Ihnen, das ist nicht möglich.»
    « Mon c her, wir müssen Gewissheit haben. Selbst wenn sich am Ende herausstellt, dass alle im Zug ein Motiv hatten, Ratchett umzubringen, brauchen wir Gewissheit. Erst wenn wir Bescheid wissen, können wir endgültig entscheiden, bei wem die Schuld liegt.»
    «Mir schwirrt der Kopf», stöhnte Monsieur Bouc.
    Greta Ohlsson wurde von dem teilnahmsvollen Kellner hereingeführt. Sie weinte bitterlich.
    Sie ließ sich Poirot gegenüber auf einen Stuhl fallen und weinte in ihr großes Taschentuch.
    «Nun quälen Sie sich nicht so, Mademoiselle. Quälen Sie sich nicht.» Poirot klopfte ihr begütigend auf die Schulter. «Nur ein paar Worte der Wahrheit, mehr wollen wir nicht. Sie waren die Krankenschwester, in deren Obhut die kleine Daisy Armstrong gegeben war?»
    «Es ist wahr – es ist wahr», heulte die Unglückliche. «Oh, sie war so ein Engel – so ein süßer kleiner Engel, so vertrauensvoll. Sie kannte nichts als Freundlichkeit und Liebe – und wurde von diesem schlechten Menschen entführt – grausam misshandelt – ihre arme Mutter – und das andere Kleine, das nie gelebt hat. Sie können nicht verstehen – nicht wissen – wenn Sie dort gewesen wären wie ich – wenn Sie die ganze furchtbare Tragödie miterlebt hätten – ich hätte Ihnen heute Morgen schon die Wahrheit über mich sagen sollen. Aber ich hatte Angst – Angst. Ich war so froh, dass dieser schlechte Mensch tot war – dass er keine kleinen Kinder mehr quälen und ermorden konnte. Oh! Ich kann nicht weitersprechen – ich habe keine Worte mehr…»
    Und sie weinte noch bitterlicher als zuvor.
    Poirot tätschelte ihr weiterhin beruhigend die Schulter.
    «Aber, aber – ich verstehe Sie ja – ich verstehe alles – alles, glauben Sie mir. Ich werde Ihnen keine weiteren Fragen stellen. Es genügt, dass Sie die Wahrheit zugegeben haben, und ich weiß, dass es die Wahrheit ist. Ich verstehe Sie, wirklich.»
    Greta Ohlsson, die inzwischen vor lauter Schluchzen kein Wort mehr herausbrachte, tastete sich tränenblind zur Tür. Dort stieß sie mit einem Mann zusammen, der gerade hereinkam.
    Es war der Diener – Masterman.
    Er kam geradewegs zu Poirot und sagte in seinem gewohnt ruhigen, teilnahmslosen Ton:
    «Ich störe hoffentlich nicht, Sir. Ich fand es am besten, gleich herzukommen und Ihnen die Wahrheit zu sagen, Sir. Ich war im Krieg Colonel Armstrongs Bursche, Sir, und danach in New York sein Diener. Das habe ich Ihnen heute Morgen bedauerlicherweise verschwiegen. Es war sehr unrecht von mir, Sir, darum dachte ich, dass ich am besten gleich herkomme und reinen Tisch mache. Aber ich will nicht hoffen, Sir, dass Sie Tonio in irgendeiner Weise verdächtigen. Der gute Tonio könnte keiner Fliege etwas zu Leide tun, Sir. Und ich kann mit aller Bestimmtheit schwören, dass er letzte Nacht nicht ein einziges Mal unser Abteil verlassen hat. Sie sehen also, dass er es nicht gewesen sein kann, Sir. Tonio mag ein Ausländer sein, Sir, aber er ist ein sehr
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