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Mord im Nord

Mord im Nord

Titel: Mord im Nord
Autoren: A Giger
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Problem sei. Viel gravierender sei der drohende Imageschaden: Neben einem kraftstrotzenden, traditionsgeschwängerten und mythenreichen Naturprodukt wie Appenzeller Secret würde natürlich jede Glückspille aus dem Labor reichlich blass aussehen, und das würde den Wert der künstlichen Prothesen in den Augen der Kunden empfindlich schmälern, was sich auch auf die Gewinnmargen auswirken könnte.
    Natürlich war ich über das Gehörte empört und äusserte dieses Gefühl laut und deutlich, nicht ohne noch einmal anzudeuten, ich könnte solche düsteren Geheimnisse möglicherweise nicht für mich behalten. Als ich das kalte Glimmen in ihren Augen sah, beeilte ich mich hinzuzufügen, es ginge mir keineswegs darum, sie moralisch zu verurteilen, ich sei ja Realist genug, um zu sehen, dass solches existiere und vielleicht manchmal sogar nötig sei. Aber ich sähe, wie sehr der Zwiespalt ihrer beiden Persönlichkeiten sie quäle und zerreisse. Das wiederum zerrisse mir fast das Herz, weil ich angefangen hätte, sie mächtig lieb zu haben. Deshalb bat ich sie eindringlich, von ihrem Tun abzulassen. Was sie mir nicht versprechen konnte, aber sie wolle es sich überlegen, schon im Interesse einer möglichen gemeinsamen Zukunft, die sie sich nach dieser Nacht irgendwie schon vorstellen könne. Und ich solle mir um dieses blöde Rezept keine Sorgen machen.
    Privat interessiere sie das Rezept allerdings sehr, fügte sie mit doch schon ziemlich schwerer Zunge hinzu, vor allem, seit sie erfahren habe, was für wunderbare Stunden man mit mir damit verbringen könne. Da sie es aber heute sicher nicht mehr erfahren werde, schlage sie als Absacker noch eine kleine dritte Runde ‹Soma› vor.
    Die neue Wirkung kam noch schneller und eindeutiger als die letzte. In der dritten Dosierung hintereinander wirkte ‹Soma› wie K.-o.-Tropfen. Claudia lag in meinem Arm und murmelte noch etwas vor sich hin, ehe sie mitten im Wort einschlief. Auch ich, der ich sonst immer lange zum Einschlafen brauche, war innerhalb weniger Minuten weggetreten.
    Und zwar offenbar gründlich. Als ich endlich aufwachte, war der Platz neben mir leer. Gründlicheres Nachforschen bestätigte, dass Claudia definitiv weg war. Nur ein mit akkuraten Druckbuchstaben beschriebenes Blatt Hotelpapier fand sich noch als Spur von ihr. Darauf stand: ‹Reden ist Blei. Schweigen ist Gold.›
    Wie ich an diesem Tag nach Hause gekommen bin, weiss ich nicht mehr genau. Unentwegt schwirrten mir die Gedanken an diese Botschaft im Kopf herum. Ich hatte sie sehr wohl verstanden. Claudia hatte mir in einem unbedachten Moment und angefeuert von unkontrollierbaren Molekülen in ihrem Gehirn Dinge ausgeplaudert, die ich nie hätte erfahren dürfen. Und ich Depp hatte mindestens ansatzweise damit gedroht, Geheimnisse nicht für mich zu behalten.
    Ich war tieftraurig. Endlich mal wieder war eine Beziehung mit einer Frau denkbar geworden, und mit was für einer, und jetzt endete es so. Mir war klar, dass ich Claudia nie wiedersehen würde, und bei Bedarf hätte sie mit grosser Entschiedenheit bestritten, jemals etwas mit mir zu tun gehabt zu haben. Eine grosse Hoffnung jäh geknickt!
    Wütend war ich natürlich auch, auf sie, weil sie mich als Agenten missbraucht hatte, der ihr Geheimwissen verschaffte, aber vor allem auf mich. Weil ich so blöd gewesen war, unser Geheimnis und Dich zu verraten. Weil ich in meiner Verblendung nicht gemerkt hatte, welches Spiel sie mit mir trieb – auch wenn ich insgeheim immer noch hoffte, es wären auch auf ihrer Seite ein paar echte Gefühle im Spiel gewesen. Und auch, weil ich genau wusste, dass ich mich an die Warnung halten und niemandem ein Sterbenswörtchen erzählen würde.
    Mir war klar, dass ich für Claudia und ihre Organisation eine Bedrohung bleiben würde. Sicher, die könnten und würden alles abstreiten, wenn jemals etwas von ihren Machenschaften an die Öffentlichkeit geriete, und sie würden das vermutlich erfolgreich tun. Doch etwas bleibt bekanntlich immer hängen, und selbst ein erfolgreiches Dementi bringt Unruhe. Etwas, was Claudias Hintermänner gar nicht schätzten.
    Vor allem aber wäre Claudias Karriere als makellose Forscherin und Publizistin gefährdet, stellte ich bei näherem Nachdenken fest. Zu enge Verbandelungen mit der Industrie können extrem rufschädigend sein. Ich selbst wusste zwar, dass ich es trotz allem nie übers Herz bringen würde, ihr bewusst zu schaden – doch wussten das auch die anderen?
    Mein beklemmendes
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