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Mord im Nord

Mord im Nord

Titel: Mord im Nord
Autoren: A Giger
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Krumm erworbenes Geld liesse sich ohne grossen Aufwand als Spielgewinn von einem Konto zum anderen verschieben. Allerdings hatte die Polizei, für die das ohnehin immer löchriger werdende schweizerische Bankgeheimnis nie gegolten hatte, keinerlei Hinweise auf versteckte Konten von Hans Bärlocher gefunden. Ob dieser wirklich die kriminelle Energie gehabt hätte, um sich in solche Deals in einem Mass zu verwickeln, dass Profikiller auf den Plan treten müssten, sei mehr als fraglich. Auch die Gespräche, die er in den letzten Tagen mit den wenigen Bekannten des Opfers geführt habe, hätten ihn in diesem Eindruck bestätigt.
    Natürlich könne man theoretisch in dieser Richtung weiter nach einem Mordmotiv forschen, doch gelte auch bei der Polizei das Gesetz des optimalen Verhältnisses zwischen Aufwand und Ertrag bei beschränkten Ressourcen. Der Aufwand sei auf jeden Fall beträchtlich, denn die Betreiber solcher Online-Casinos sässen irgendwo auf einer kleinen Karibikinsel im weitgehend rechtsfreien Raum, in dem eine Anfrage um Amtshilfe aus der fernen kleinen Schweiz mit Sicherheit nicht mehr als ein müdes Lächeln bewirken würde. Zudem sei der Ertrag in Form von weiterführenden Erkenntnissen höchst fraglich, weshalb im Klartext der Fall wohl wirklich in der Rubrik «unerledigt» abgelegt werden müsse. Ich wisse, dass ihm das gewaltig auf den Wecker gehe, doch gegen die Realität sei auch der beste Wille machtlos.
    Ich bedankte mich für seine Informationen, und wir verabredeten vage, demnächst mal wieder ganz ohne Fall gemeinsam einen schönen Schoppen zu trinken. Dass daraus viel werden würde, bezweifelten wir wohl beide gleichermassen.
    Nach diesem Anruf wollte ich meine Mails checken. Ich hatte damit kaum begonnen, als sich plötzlich eines dieser Fenster auf dem Bildschirm öffnete, mit denen angekündigt wird, es sei neue Software für meinen Computer verfügbar. Ich finde das eine etwas aufdringliche Methode, mich mitten im Schreiben eines hübschen Gedankens zu stören, und ignoriere diese Fenster deshalb oft. Das wollte ich auch dieses Mal tun, als mir die ungewöhnliche Form des Fensters auffiel.
    Der Hintergrund war blutrot, und davor stand in weisser Schrift nur eine kurze Zeile: Dorfchronik Wald, Seite 124. Dazu gab es noch einen blinkenden Hinweis darauf, die Botschaft würde sich innerhalb von sechzig Sekunden selbst löschen, verdeutlicht mit einem abnehmenden Sekundenzeiger.
    Meine erste Reaktion war die eines Déjà-vu. Das kannte ich doch schon vom letzten Fall, diese geheimnisvollen Botschaften, die aus dem Nichts auftauchen. Und es waren alles andere als angenehme Gefühle, die diese Erkenntnis auslöste. Mein Computer gehört für mich eindeutig zu meinem Intimbereich, zu dem nur ich Zutritt habe. Faktisch ist es auch so: Ausser Adelina bei ihrem letzten Aufenthalt hatte meines Wissens nie jemand anders meinen Mac benutzt, und sie war schliesslich eine wohlbegründete Ausnahme. Jetzt aber hatte jemand von aussen Zugang dazu und manipulierte meinen Computer gegen meinen Willen, was Ohnmacht und Hilflosigkeit auslöste.
    So stark waren die Gefühle, dass ich gar nicht auf die Idee kam, einen Screenshot zu schiessen, also eine Aufnahme des Bildschirms in diesem Moment, womit ich wenigstens etwas in der Hand gehabt hätte. Es gelang mir gerade noch, mir die angegebene Seitenzahl zu merken, ehe die Botschaft wieder verschwand und meinen langweiligen Mails Platz machte.
    Trotz der bedrohlichen Begleitumstände beim Übermitteln der Botschaft siegte rasch meine Neugier. Ich hatte vor Jahren mal die Gemeinde Wald beim Aufbau ihrer ersten Homepage beraten und mich dabei mit den verschiedensten Aspekten dieses kleinen Dorfs bekannt gemacht, unter anderem mit seiner Geschichte, die tatsächlich in einer im Jahr 1986 erschienenen Dorfchronik nachzulesen war. Ich wusste genau, wo mein Exemplar im Bücherregal stand, holte es unter die Leselampe und blätterte zu Seite 124.
    Zunächst war da von einem Verräter die Rede, doch die Geschichte ergab für mich keinen Sinn. Ungefähr auf der Mitte der Seite begann eine Abhandlung über Grenzstreitigkeiten zwischen den beiden Halbkantonen Appenzell Innerrhoden und Ausserrhoden. Es folgte unten auf der Seite eine Passage, die mich elektrisierte:
    «Eine dramatische Zuspitzung erhielt dieser Handel, als man am 17.   August 1782 auf dem gemeinsamen Territorium in der Kotzeren eine männliche Leiche fand. Landammann Zuberbühler und Statthalter Zellweger
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