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Mord im Nord

Mord im Nord

Titel: Mord im Nord
Autoren: A Giger
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auf den Gedanken kämen, einen Profikiller anzuheuern, geschweige denn wüssten, wie man das macht. Erste Befragungen dieses spärlichen Bekanntennetzes hatten bestätigt, dass die Kontakte mit Hans sehr spärlich gewesen seien. Wie ich aus einigen Andeutungen wusste, war das vor seiner dunklen Lebensphase anders gewesen. Doch viele Verbindungen waren in dieser Zeit eingeschlafen, und er hatte eben erst begonnen, wieder ein soziales Netz zu knüpfen.
    Offenbar hatte er mit mir noch am meisten Kontakt gehabt, und der war ja eher von begrenzter Natur. Familienangehörige gab es nicht, ebenso wenig Hinweise auf eine feste Freundin. Dass Hans gern allein lebte, hatte er mir selbst gesagt. Das konnte ich ja bestens nachvollziehen. Doch dass er in letzter Zeit so isoliert gelebt hatte, war mir neu und veranlasste mich zu der Frage, ob er sich wohl einsam gefühlt hatte oder ob diese Lebensweise einfach seinem Naturell oder seiner aktuellen Lebensphase oder beidem entsprach. Ich würde darauf in diesem Leben keine Antwort mehr bekommen.
    Für Karl noch wichtiger war die Schlussfolgerung: Es gab weit und breit kein Motiv für den Mord durch einen Profikiller. Ein solches hätte wenigstens einen Hinweis darauf geliefert, in welche Richtung man suchen müsse, doch so war eine solche Suche zum vornherein hoffnungslos.
    Karl meinte, die Theorie mit dem Profikiller sei so eine Sache. Einerseits weise zwar vieles auf einen Profi hin, andererseits hätte ein echter Profi sich mit Sicherheit anders verhalten. Warum zum Beispiel hätte ein echter Profi die Reste des Grapefruitsafts samt K.-o.-Tropfen im Glas lassen sollen, wo er doch sicher alle Zeit der Welt gehabt hätte, das Glas sorgsam und rückstandsfrei zu spülen?
    Ebenfalls ein Grund zur Irritation war für Karl das Einstichloch der Spritze. Ein echter Profi hätte eine möglichst dünne Nadel verwendet und die Spritze an einem Ort gesetzt, wo man den Einstich leicht übersehen kann – solche Orte am menschlichen Körper gebe es durchaus, erklärte Karl, ohne ins Detail zu gehen. Unser Spritzensetzer dagegen hatte eine ziemlich dicke Nadel verwendet und diese an einem Ort platziert, wo man das Loch sicher finden würde.
    Und dann war da noch die Sache mit dem Fundort der Leiche. Alles deutete darauf hin, dass Hans in seinen vier Wänden gestorben und erst als Leiche zum Fundort hinter der Satellitenschüssel transportiert worden war. Im Gras gab es zwar keine Schleifspuren, in der nächtlichen Nebelfeuchte hatten sich Gras und Kraut längst wieder aufgerichtet, doch auf dem betonierten Platz zwischen Haus und Garage und auf dem Asphaltsträsschen längs des Gartenzauns fanden sich Faserspuren jener Kleider und Schuhe, die Hans in seinem letzten Stündchen getragen hatte. Der Mörder hatte also offenbar die Leiche vom Haus bis zum Fundort geschleift – immerhin eine Strecke von rund sechzig, siebzig Metern. Wozu hatte er dieses Risiko und diesen Aufwand auf sich genommen? Klar, er hätte die Leiche wenigstens für ein Weilchen verschwinden lassen können, indem er sie über die Kante den Steilhang hinunter zur Bachschlucht geschmissen hätte. Doch genau das hatte er nicht getan, obwohl es vom Fundort aus dafür nicht mehr als einen ordentlichen Schubs gebraucht hätte.
    Nach dieser Auslegeordnung demonstrierte mir Karl Abderhalden, warum er zu Recht Chef der Kriminalpolizei ist, indem er messerscharf seine Schlüsse zog: Dem potenziellen Killer wäre es ein Leichtes gewesen, Hans so umzubringen, dass man mit grösster Wahrscheinlichkeit auf einen wenngleich seltenen, so doch natürlichen Tod durch Herzversagen in relativ jungem Alter geschlossen hätte. Die Zeichen, die auf einen Mord hindeuteten, hatte er also ganz bewusst gesetzt. Als Signal gleichsam: Seht her, ich habe den Kerl umgebracht, aber ihr werdet nie dahinterkommen, wer ich bin und warum ich das getan habe.
    An dieser Stelle wurde mir ziemlich mulmig, weil sich mir blitzschnell die Konsequenz aus dieser These erschloss: Dieser Mord betraf nicht einfach nur das Opfer. Er war vielmehr ein Signal an die Lebenden, eine Demonstration der Macht und damit vermutlich eine Drohung.
    Karl teilte meine Überlegungen grundsätzlich, glaubte jedoch nicht, dass sich die Botschaft an die Lebenden im Allgemeinen richte, sondern war überzeugt, es ginge um ganz bestimmte Adressaten. Was mein Gefühl von Mulmigkeit, ja Bedrohung, keineswegs abschwächte.
    Karl nahm zwar durchaus wahr, dass ich etwas blass geworden war und sich
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