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Mord im Dirnenhaus

Mord im Dirnenhaus

Titel: Mord im Dirnenhaus
Autoren: Petra Schier
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was alle dachten: «Was hat denn dann Frau Entgen hier am Hafen zu suchen?»
    Sie blickten alle drei neugierig zu der Taverne, über deren Eingang ein Holzschild in Form eines Hechts in der leichten Brise schaukelte. Adelinas erster Impulswar, hinzugehen und Entgen anzusprechen, doch als sich die Wirtshaustür öffnete und Entgen in Begleitung eines jungen Mannes in Reiterkleidung herauskam, blieb sie stehen, wo sie war. Der junge Mann, ein Bote vielleicht, ging mit eiligen Schritten fort, Entgen sprach kurz mit den Sänftenträgern und ließ sich dann in die Sänfte hineinhelfen.
    In Adelina arbeitete es; mehrere Gedanken stürmten gleichzeitig auf sie ein, einer absurder und beängstigender als der andere. Was machte Entgen allein im
Aalen Hecht
, einer Seemannstaverne mit zweifelhaftem, wenn auch nicht üblem Ruf? Wer war der junge Mann gewesen, und hatte sie sich überhaupt mit ihm getroffen oder mit jemand anderem?
    «Herrin?» Franziska lenkte ihre Aufmerksamkeit von der sich entfernenden Sänfte ab. «Wolltet Ihr nicht zurückgehen? Wenn wir noch ein paar frische Sachen haben wollen, müssen wir uns beeilen.»
    Adelina nickte unbestimmt und setzte sich zögernd in Bewegung. Da die Sänfte mittlerweile um eine Ecke verschwunden war, gab es auch weiter nichts zu sehen.
    Auf dem Weg zum Alter Markt grübelte Adelina vor sich hin. Etwas von dem, was Overstolz ihr erzählt hatte, nagte an ihr. Sie versuchte, es mit Entgens Anwesenheit am Hafen zusammenzubringen. Wen konnte man am Hafen treffen? Magnussen vielleicht? Aber der war längst fort. Nur … vielleicht hatte Entgen das nicht gewusst? Doch wenn sie ihn hatte treffen wollen … Adelina biss sich auf die Lippen. Hatte sie nicht schon einmal eine Sänfte der van Kneyarts am Hafen gesehen? Als sie selbst mit van Cramen gesprochen hatte?
    War es möglich, wirklich möglich, das Entgen hinter den Giftmorden steckte? Hatte sie ihren Bruder vielleichtaus Eifersucht vergiftet? Eiskalte Schauer rannen Adelina den Rücken hinunter. Konnte das sein? Diese gutherzige, brave Witwe?
    Sie rief sich Entgens Besuche in der Apotheke ins Gedächtnis. Denn wenn sie ihren Bruder vergiftet hatte, musste sie auch für das vergiftete Konfekt im Apothekerhaus verantwortlich sein. Aber nein, Entgen war niemals unbeobachtet gewesen, hatte also auch keine Gelegenheit gehabt, das Konfekt mit dem in der Schale zu vermischen.
    Und dennoch …
    Adelina fasste sich an die Stirn. Natürlich! Entgen hatte Mathys erzählt, dass sie in der Apotheke Konfekt gekauft habe, und er war darüber erwartungsgemäß zornig geworden und hatte es zurückgebracht. Und er hatte nicht geahnt, dass das Konfekt, welches er ihr, Adelina, vor die Füße geworfen hatte, tatsächlich vergiftet gewesen war, jedoch von seiner eigenen Base. Dann war er womöglich an den Morden wirklich unschuldig.
    Plötzlich fielen ihr auch wieder Magnussens Worte über die gefährlichen Frauen in Köln ein und der kurze Brief, den er seinem Päckchen beigelegt hatte. Das war ein Hinweis für sie gewesen, den sie zunächst nicht verstanden, ja nicht einmal wahrgenommen hatte.
    So setzte sich nach und nach ein Mosaiksteinchen an das nächste, und je sicherer Adelina über den Tathergang wurde, desto elender fühlte sie sich. Sie hatte sich täuschen lassen, wieder täuschen lassen von einer Person, die sie als so vollkommen liebenswürdig und gut eingeschätzt hatte.
    Doch nicht nur sie hatte sich täuschen lassen, auch der Rat, ja die gesamte Stadt war von falschen Voraussetzungen ausgegangen.
    Am oberen Ende der Mühlengasse blieb Adelina plötzlich stehen. Von hier aus konnte sie bereits ein Stück des Alter Marktes überblicken. Am Kax hatte sich wieder einmal eine Menschentraube gebildet. Und die laute Stimme, die daraus hervordrang, war ihr nur allzu bekannt.
    «Thomasius!», stieß sie verärgert hervor. Dieser grässliche Mönch predigte mal wieder über Unzucht und Sittenlosigkeit. Sie knirschte mit den Zähnen. Das hatte ihr gerade noch gefehlt.
    Doch offenbar war Thomasius bereits zum Ende seiner Predigt gekommen, denn zwischen unverständlichen Wortfetzen waren deutlich die Worte «Dominus vobiscum» zu verstehen.
    «Was ist denn dort?», wollte Mira wissen und spähte zwischen den Verkaufsständen hindurch zu dem Menschenauflauf, der sich nun offenbar langsam auflöste.
    «Nichts von Bedeutung», sagte Adelina und drückte Mira in einem plötzlichen Entschluss das Wachstäfelchen mit der Einkaufsliste in die Hand. «Ich
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