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Mord im Dirnenhaus

Mord im Dirnenhaus

Titel: Mord im Dirnenhaus
Autoren: Petra Schier
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weiteten sich, und er starrte ihr mit offenem Mund nach, wie sie die Schwalbengasse hinaufeilte und dann in einer winzigen Seitenstraße verschwand.

1
    Adelina war gerade dabei, das Nachtgeschirr ihres Vaters in die Abortgrube auszuleeren. Auch nach beinahe einem Jahr hatte sie sich noch nicht daran gewöhnt, diese unangenehme Arbeit ihren Mägden zu überlassen. Sie presste die Lippen zusammen, denn der Gestank bereitete ihr Übelkeit. Schon seit Tagen kämpfte sie dagegen an, und jetzt hätte sie sich beinahe übergeben. Das heiße Wetter begünstigte das Entstehen der fauligen Gase noch und übertünchte den lieblichen Duft der Kletterrosen, die sich über den neuen kleinen Hühnerstall rankten. Daneben hatte sie ein Gemüse- und Kräuterbeet angelegt, in dem neben Pastinaken, Möhren und ausladenden Kohlköpfen üppige Petersilien-, Minze- und Melissenstauden gediehen. Auf ihre Bohnen war sie besonders stolz, denn die hohen Stangen waren unter dem Grün des Laubes und der großen Schoten kaum noch zu erkennen.
    Doch heute hatte sie keinen Blick für ihren gepflegten Garten.
    Zähneknirschend ließ sie den schweren Deckel zurück an seinen Platz knallen und wandte sich rasch ab. In der Hintertür stand ihre junge Magd Franziska und winkte.
    «Herrin, in der Apotheke ist der Ratsherr Georg Reese und wünscht Euch zu sprechen.»
    «Reese? Du liebe Zeit.» Adelina atmete tief durch und drückte dem Mädchen das Nachtgeschirr in die Hände.«Stell das in die Kammer meines Vaters und dann lauf los und versuche, die Goldgräber dazu zu bringen, noch heute unseren Abort auszufahren. Nimm die zwei silbernen Groschen aus der Dose im Küchenregal, das sollte sie überzeugen.»
    Franziska nickte zustimmend. Adelina ging mit grimmiger Miene an ihr vorbei ins Haus.
    Bevor sie den Apothekenraum betrat, wusch sie sich rasch in der Küche die Hände, fuhr sich über ihr Kleid und prüfte, ob ihre weiße Leinenhaube noch ordentlich auf ihren schwarzen, sorgfältig geflochtenen Haaren saß.
    «Herr Reese, wie nett, Euch wiederzusehen!», begrüßte sie den hageren Mann, der in seiner dunkelgrauen Kaufmannskluft wie ein gestrenger Schulmeister wirkte.
    «Adelina … Meisterin Burka», verbesserte er sich und lächelte wohlwollend. «Gut seht Ihr aus. Die Ehe hat Euch noch hübscher gemacht.»
    Adelina legte den Kopf auf die Seite. «Nun kenne ich Euch schon eine ganze Weile, Herr Reese, aber ich wusste nicht, dass Ihr auch ein Schmeichler seid. Und nennt mich nur weiterhin Adelina.»
    «Wie Ihr meint, aber dann wenigstens Frau Adelina, so gehört es sich.» Reese sah sich in der ordentlichen Apotheke um. Die Wände waren von hohen Regalen gesäumt, in denen neben allerlei Arzneien und getrockneten Kräutern auch Phiolen mit seltenen Essenzen und Tiegel mit geheimnisvollen Pulvern und Pasten aufgereiht waren. In der hinteren Ecke, neben der Tür zu den Wohnräumen, stand eine geschnitzte Holzkiste mit gewölbtem Deckel und Eisenbeschlägen und daneben ein Korb mit frischem Grünzeug. Diesesverströmte einen süßen Duft, der sich auf faszinierende Weise mit den scharfen Gerüchen der getrockneten Kräuter vermischte. Über allem schien eine leicht metallische Note zu schweben.
    In der Mitte des Raumes stand die große Verkaufstheke mit der Waage und unterschiedlich großen Gewichten.
    «Euer Geschäft ist eine Wohltat für das Auge, meine Liebe. Kein Vergleich zu den Räumlichkeiten Eurer Berufsgenossen.»
    Adelina gab keine Antwort, sondern sah ihn nur abwartend an.
    Der Ratsherr faltete die Hände vor dem Bauch und sah sich noch einmal um, dann schien er sich dazu durchgerungen zu haben, zu sprechen.
    «Wie Ihr sicher schon vermutet habt, bin ich aus einem bestimmten Grund hier. Wir haben uns seit der Sache … der Sache im vergangenen Winter nicht mehr gesehen. Und es hätte sich auch wohl nicht ergeben, wenn nicht …» Er machte eine Pause.
    «Was führt Euch zu mir, Herr Reese?»
    «Ich brauche Eure Hilfe. Es geht um eine etwas … delikate Angelegenheit. Ich meine … ich weiß, Euer Gemahl ist derzeit nicht in der Stadt …»
    «Er macht einen Besuch bei seiner kranken Mutter in Kortrijk, wird aber in wenigen Tagen zurück sein», ergänzte Adelina freundlich.
    Reese nickte ihr zu. «Ja, nun, ich weiß. Und ich glaube nicht, dass es richtig ist, Euch gerade jetzt zu behelligen, wo Ihr mit der Apotheke und dem Haushalt und allem alleine seid.»
    «Herr Reese», unterbrach Adelina ihn ungeduldig. «Ich habe auch früher schon
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