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Mord im Bergwald

Mord im Bergwald

Titel: Mord im Bergwald
Autoren: Nicola Förg
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Magen Getreide, Gemüse, Hirsch- und Steinbockfleisch. Eine eindeutige Absage an die Vegetarier, wie Irmi fand. Eine gesunde Mischkost ohne viel Fett und Bewegung machte alt – sofern man nicht ermordet wurde. Heute wie vor fünftausend Jahren!
    Ötzis Speiseplan erinnerte sie daran, dass sie Hunger hatte.
    »Ich geh mal schnell zum Metzger. Braucht jemand was?«, fragte Irmi in den Raum. Sailer orderte zwei Leberkäs-Semmeln, Kathi Fleischsalat. »Aber nicht den mit Joghurt. Den mit g'scheiter Mayo, oder.« Kathi konnte fressen wie eine Mastsau und nahm nie zu. Begnadeter Stoffwechsel.
    »Dass ihr jetzt was essen könnt!«, entrüstete sich die junge Kollegin Andrea.
    »Mei, Madl, wenn mir bei jedem Toten fasten täten, dann täten mir ja vom Fleisch fallen«, sagte Sailer, und an Irmi gewandt: »Bringen Sie mir lieber drei Semmeln, Frau Irmgard.« Irmi flüchtete unter Glucksen.
    Als sie alle ihr zutiefst ungesundes Bayern-Fast-Food verzehrt hatten, erhob sich Kathi und erklärte: »Ich geh dann mal, eigentlich hab ich heute frei. Ich hab Sophia versprochen, mit ihr am Nachmittag ins Schwimmbad zu gehen.«
    Irgendwas in ihren Augen verriet Irmi, dass das eine Notlüge war. Sie selbst hatte doch heute auch frei, aber sie wäre nie auf die Idee gekommen, darauf zu beharren. Es kam sowieso nur alle Jubeljahre vor, dass sie und die Kollegin gleichzeitig ihre Überstunden abbauen konnten. Es war nur dieser Tage so ruhig im Revier – bis gerade eben. Sie war nun mal nicht Sachbearbeiterin bei irgendeiner Krankenkasse für die Buchstaben A – D mit Endloswochenenden von Freitag Mittag bis Montag Morgen. Irmi spürte, dass sie heute wirklich ziemlich zynisch war. Die Bilder der abgetrennten Körperteile waren noch zu präsent.
    Sie presste ein pseudofröhliches »Na, dann viel Spaß im Schwimmbad« heraus und sah Kathi nach, die ihren Rucksack schulterte und fast fluchtartig den Raum verließ. In diesem Moment stürmte Hasibärchen herein.
    »Viel kann ich noch nicht sagen, bloß so viel: Ein erstes Labor hat ergeben, dass Finger und Ohr zu einem männlichen Exemplar gehören. Das Alter liegt zwischen zwanzig und dreißig. Älter auf keinen Fall.« Hasibärchen atmete tief durch, als hätte ihn diese Rede übermenschliche Kraft gekostet. »Wir werten noch aus, bitte keine weiteren Fragen.«
    Bevor Irmi noch was sagen konnte, riss der Hase sein quiekendes Handy ans Ohr. »Ich komm ja schon. Ich eile.« Mit einer dramatischen Drehung auf dem Absatz, als würde er für die nächste Eisrevue üben, wirbelte er hinaus. »Ihr seht, wie es bei mir zugeht.«
    Sie starrten ihm nach. »Drama, Baby, Drama!«, rief Andrea und schüttelte den Kopf. »Bruce Darnell ist ein Waisenknabe dagegen.«
    »Wer?«, fragte Irmi.
    »Na, Bruce Darnell, der bei der ersten Staffel der Topmodels in der Jury gewesen ist.«
    Fernsehen gehörte nicht zu Irmis bevorzugten Tätigkeiten. Ab und zu sah sie sich Krimiserien an – um sich darüber aufzuregen, wie spannend das Leben dieser Kommissare doch war. Von nervtötenden Ermittlungen, von endlosen Serien an Telefonaten, nur um zum Beispiel einen Autohalter herauszubekommen, war da nie die Rede. Von diesem ganzen unspektakulären Alltagsjob. Was sie daran erinnerte, dass sie die Befragungsprotokolle von der Alm abtippen musste.
    Kathi hatte ihre Notizen in die dicke Kladde gemacht. Irmi ließ den Blick über die Schreibtische wandern. Nichts zu sehen, hoffentlich hatte Kathi das Ding nicht versehentlich mitgenommen. Dann nämlich würde sie ihren Badeausflug noch etwas aufschieben müssen. Sie wählte Kathis Handynummer, doch das Mobiltelefon war aus. Am Festnetz ging Kathis Mutter dran.
    »Grüß Sie, Frau Reindl, ich kann Kathi nicht erreichen. Könnten Sie ihr ausrichten, dass sie sich dringend bei mir meldet, wenn sie gleich bei Ihnen eintrifft?«
    Kathis Mama war eine rührige Dame um die Sechzig, eine Seele von einem Menschen, eine Frau, die in sich ruhte. Irmi wusste, dass der Weg zu dieser Güte – ja, man konnte dies altmodische Wort getrost verwenden – nicht leicht gewesen war: den Mann an eine Jüngere verloren, den Brustkrebs niedergerungen. Aber Wege zur inneren Ruhe waren immer steinig und führten lange talwärts, bevor sie sich dann in weiten Serpentinen zum Licht hinaufschraubten.
    Sie plauderten eine Weile, bis Irmi schließlich meinte: »Also, wie gesagt, die Kathi soll sich bitte bei mir melden, bevor sie mit Sophia zum Schwimmen geht. Hat ja recht an so einem schönen
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