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Mord im Bergwald

Mord im Bergwald

Titel: Mord im Bergwald
Autoren: Nicola Förg
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»Ruhe, alle miteinand« unterbrach. Sie hatte Durchschlagskraft, auch stimmlich, obgleich sie optisch ein eher zartes Persönchen war. Vor Kurzem hatte sie sich die langen Haare ein wenig stufen lassen und trug nun lange Ponyfransen, die sie noch jünger aussehen ließen.
    Kathi bot von sich aus an, die Befragungen zu leiten und zu protokollieren, während Irmi zum Ort des Geschehens aufsteigen sollte. Hätte Irmi ein paar Lebensillusionen mehr gehabt, dann wäre sie fast versucht gewesen, das als besondere kollegiale Nettigkeit zu bewerten. Aber Irmi wusste um Kathis absolute Verachtung für jede Form von Bergsteigen, für Sport generell (außer Skifahren und Inlineskaten ab und zu) – und da war das Protokoll eindeutig das kleinere Übel.
    »Wer hat hier die besten Ortskenntnisse?«, fragte Irmi.
    Der DAV-Mann warf sich in die Brust. »Ich stehe zur Verfügung. Ich leite seit dreißig Jahren Jugendkurse, ich ...«
    »Danke, Herr ...?«
    »Orlowski, Bernd. Sektion Rosenheim eigentlich. Ich hatte nur diesmal das Vergnügen, hier einspringen zu dürfen.« Dabei blickte er drein, als traue er keinem anderen Menschen im weiten Erdenrund diese Bergkompetenz zu, die er sich über die Jahre des harten Einsatzes im Fels erworben hatte.
    Die ältere Dame machte einen Schritt auf Irmi zu. »Iris von Gstalden«, stellte sie sich vor. »Ich denke, Vitus ist am besten für diese Aufgabe geeignet. Er koordiniert die Sanierungsmaßnahme zusammen mit dem Forstamt. Vitus?« Sie lächelte den abseits stehenden Mann mit dem Rauschebart an und machte eine einladende Handbewegung.
    Zögerlich kam Vitus näher, so als würde ihn ein unsichtbares Gummiband zurückziehen.
    »Herr ...?«, fragte Irmi.
    »Weingand, Vitus. Vitus reicht.«
    »Mangold, Irmi. Irmi reicht.«
    Ein ganz kurzes Lächeln umspielte seine Augen.
    »Sie haben diese Körperteile gefunden? Haben Sie ...«
    »Also, ich habe ...«, fiel der DAV-Mann Irmi ins Wort.
    »Herr Orlowski, das geben Sie doch bitte bei meiner Kollegin da drüben zu Protokoll.« Irmis Ton war hörbar schärfer geworden. Iris von Gstalden grinste.
    »Vitus?« Irmi sah ihn aufmunternd an.
    »Den Finger hat die da entdeckt.« Er wies auf die pummelige Frau, die unter Schock zu stehen schien. »Mir san dann zu denen ummi, die Iris und ich warn am Gegenhang, der Rest hot drüben trogn.«
    »Und weiter?« Irmi sah ihn aufmerksam an.
    »I bin a Stückerl weiter aui, und do war des Ohr.«
    Das klang aus seinem Mund wie: Da war das Edelweiß, oder: Da pfiff das possierliche Murmeltier von seinem Aussichtspunkt herab.
    Irmi wollte sich gar nicht vorstellen, was alles an Spuren vernichtet worden war, und als könnte Iris von Gstalden Gedanken lesen, sagte sie: »Ich habe die Gruppe möglichst schnell ins Tal beordert, wegen der Spuren.«
    »Sind Sie vom Fach?«, fragte Irmi mit gerunzelter Stirn.
    Iris von Gstalden lächelte. »Staatsanwältin, a. D. Zuletzt in München.«
    Deshalb war Irmi der Name so bekannt vorgekommen: Die Dame hatte mal in einem ziemlich medienwirksamen Prozess gegen einen gewalttätigen Schauspielerinnensohn viel Staub aufgewirbelt. Sie war unbeugsam gewesen und unbeeindruckt vom Promistatus. Jetzt hatte Irmi sie also live vor sich.
    »Vitus und Frau von Gstalden, kommen Sie mit zum Fundort?«, fragte Irmi.
    »Iris genügt«, sagte Frau a.D. »Der von Gstalden stammt von meinem geschiedenen Mann. Der Name war noch das Beste an ihm.«
    Von Vitus kam ein unterdrücktes Glucksen.
    Schweigend stapften die beiden Frauen hinter Vitus her, der ein ziemliches Tempo vorlegte. Irmi war froh, dass sie in letzter Zeit immer mal wieder in die Berge gegangen war. Mit ihm und auch privat – auf den Osterfeuerberg, den zwar auch immer mehr Städter für sich entdeckt hatten, der wochentags jedoch nur von wenigen Kennern besucht wurde. Wie der netten Hausärztin aus Söchering, die immer zu Berge stürmte, als gäbe es kein Morgen, als riefe ein Notfall am Berggipfel. Anders als Irmi hatte die Ärztin jedoch nicht zehn Kilo Übergewicht, sondern das gleiche an Untergewicht. Da stürmte es sich leichter.
    Als sie an den beiden Fundorten angelangt waren, zog Irmi Gummihandschuhe über und ging langsam in die Knie. Der schmerzhafte Stich kam unerwartet. Sie konnte gerade noch einen Schrei unterdrücken. Dieser vermaledeite Bügel-BH! Die Attacke kam wie immer zum ungünstigsten Zeitpunkt.
    Irmi versuchte sich auf den Boden zu konzentrieren, und das, was sie sah, ließ sie das Stechen vergessen. Vor ihr
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