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Mord im Bergwald

Mord im Bergwald

Titel: Mord im Bergwald
Autoren: Nicola Förg
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erklärte den Einheimischen, wie sie die Landwirtschaft effizienter gestalten könnten, und erläuterte den Zimmerern, wie sie die Nägel einzuschlagen hätten. Wahrscheinlich hätte er dem Pfarrer am liebsten die Predigten geschrieben und dem Arzt die Rezepte ausgestellt.
    Mit großer Gestik wies Orlowski in Richtung Fischbachkopf und dann zu den Pflanzen, die aufgereiht an der Hütte standen. »Meine Lieben! Dort hinauf tragen wir Buche, Kiefer und Mehlbeere. Die Mehlbeere ist eine biologische Beimischung, die an südexponierten trockenen Standorten den Humus verbessert. Der Prozentsatz der Nadelbäume soll aber überwiegen, weil wir vor allem im Winter auf die Schutzfunktion der Baumkronen angewiesen sind.«
    Er schaute drein, als erwarte er Beifall für seine Rede. Eintausendfünfhundert Pflanzen sollten heute bergwärts wandern, zwei Drittel davon würden ohnehin die Tiere tragen, den Rest Orlowskis Karawane. Der DAV-Mann hatte einen Heilpraktiker mit Doppelnamen dabei – »wenn a Mo si scho ned beim Nama durchsetzt, dann schaugt's schlecht aus«, hatte Vitus Zilly ins Ohr geflüstert. Mit von der Partie waren eine Juristin a. D., die immerhin ganz patent wirkte, die dürre Inhaberin eines Naturkost-Bioladens und eine Grundschullehrerin, die ihre Schulferien wohl sinnvoll nutzen wollte. Sie war dermaßen aufgeregt und hektisch, dass sich Vitus besorgt fragte, ob die Kinder nicht alle mit schweren Persönlichkeitsstörungen aus deren Unterricht kommen mussten. Sie hatte erst mal Zilly angequiekt: »Ist die süüüß! Ich bin die Katja, du kleines Eselchen.«
    Zilly war keineswegs »süüüß«, dachte Vitus, sondern ein Arbeitstier – und ein »Eselchen« war sie schon gar nicht. Zilly war ein Muli.
    »Des is a Maultier oder Muli.« Vitus räusperte sich und bemühte sich um klares Hochdeutsch. Das Thema lag ihm nämlich am Herzen. »Von einem Maultier spricht man, wenn die Mutter ein Pferd und der Vater ein Esel ist. Seltener kommt der Maulesel vor: Mutter Esel, Vater Pferd. Die Anpaarung gelingt dort seltener, weil das Paarungsverhalten beim Esel anders ist als beim Pferd.«
    »Aha«, meinte die Grundschullehrerin. »Aber im Gebirge sind diese Mulis besser als Pferde?«
    »Ja, vui trittsicherer. Die gehn quasi auf dem Strich. Schon immer ham Mulis im Gebirge Transportaufgaben übernommen. Viele Almen wurden mit Maultieren beschickt. Mulis trugen das Gepäck, manchmal auch einen müden Wanderer oder hohe Herrschaften, die nicht zu Fuß gehen wollten. Und dabei sind sie sehr schlau – und sehr nachtragend.« Wieder kraulte er Zilly den Hals.
    Katja quiekte noch ein »Wie süüüß«, woraufhin Zilly angewidert die Ohren anlegte und ganz kurz mit dem stahlharten kleinen Huf nach hinten kickte. Nur so zur Warnung, aber von da an galt sie der Lehrerin als »Monster«.
    Betty ging das alles am dicken Haflingerhintern vorbei, sie fraß aus dem Heusack und würdigte die Truppe keines Blickes.
    »Freunde!«, schmetterte Orlowski nun. »Wir beladen erst einmal die Packtaschen der Tiere, dann die eigenen Rucksäcke, und auf geht's!«
    Ja, hoffentlich, dachte Vitus. Sie waren weit hinter dem Zeitplan, weil die Helfer natürlich nicht rechtzeitig aus ihren Zelten gekrabbelt waren, die sie um die Alm herum platziert hatten. Die Lehrerin weigerte sich mittlerweile, näher als zehn Meter an Zilly heranzutreten, weshalb der Heilpraktiker dem Maultier zugeteilt wurde.
    »Ganz schön zerstochen, das arme Tier«, sagte er und betrachtete die Knubbel von Mücken- und Bremsenstichen.
    »Ja, de san recht ekelhaft dies Johr«, brummte Vitus.
    »Apis müssen Sie geben, Apis! D12 würde ich empfehlen. Sie kennen doch Globuli?«
    Natürlich wusste Vitus, was Globuli waren, aber das würde er diesem Deppen nicht auf die Nase binden. Stattdessen zog er eine Sprühflasche heraus und überzog Zilly mit einer bestialisch stinkenden Tinktur.
    »Pure Chemie!«, heulte der Heilpraktiker auf.
    »Na, des is Tiroler Steinöl«, konterte Vitus, packte Zilly am Führstrick und pfiff. Betty ruckte mit dem Kopf und trottete hinterher.
    Die Lehrerin wischte sich den Schweiß von der Stirn. Na, wenn die schon von dem bisschen Beladen so schwitzte, konnte das ja lustig werden in der Mittagssonne, dachte Vitus und räusperte sich.
    »Mir ham zwoa Gebiet heit«, hob er an. »Links ummi am Fischbachkopf und Hohen Grasberg und rechts aui Richtung Soiernhaus und nachher aui zum Predigtstuhl.« Die Augen der Teilnehmer folgten seinen schnellen,
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