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Mord an der Leine

Mord an der Leine

Titel: Mord an der Leine
Autoren: Hannes Nygaard
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es nicht mehr so schnell, wissen Sie.«
Sie unterbrach sich und stöhnte erneut. »Als ich die Tür aufgeschlossen und
geöffnet hatte, sah ich einen Mann, der sich in der Nachbarwohnung zu schaffen
machte.«
    »Hat er etwas gesagt?«, fragte Vollmers.
    »Nein. Er ist sofort auf mich zugestürmt und hat mir
einen Stoß vor die Brust versetzt. Dann bin ich gestürzt. Nach hinten. Auf den
Kopf. Au, mein Bein schmerzt so sehr«, sagte sie mit erstickter Stimme und
schloss die Augen.
    »Haben Sie den Mann gesehen?«
    Sie atmete flach. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie
die Augen wieder öffnete. »Nein. Das ging alles so schnell. Ich weiß nur, dass
er dunkel aussah.«
    Es hatte keinen Sinn, die alte Dame weiter zu
befragen. Vollmers wurde durch Geräusche im Treppenhaus abgelenkt. Schnelle
Schritte waren zu hören, dann tauchten zwei Männer in signalroten Jacken auf.
    »Ich bin der Notarzt«, stellte sich ein großer
bärtiger Mann vor und beugte sich zu Frau Vorderwühlbecke hinab. »Was ist hier
geschehen?«
    Vollmers berichtete, was er wusste.
    Der Arzt nickte. »Wir kümmern uns um die Patientin«,
sagte er und gab dem Rettungsassistenten erste Anweisungen.
    Vollmers ließ die Männer mit der alten Frau allein. Er
folgte Oberkommissar Horstmann, der auf dem Treppenabsatz gewartet hatte.
    Gemeinsam nahmen sie das Türschloss in Augenschein.
Jemand musste sich mit Brachialgewalt gegen die Tür geworfen haben, ohne
Rücksicht auf Lärm oder Zerstörungsgrad genommen zu haben.
    Die beiden Beamten schienen das Gleiche zu denken.
»Der Täter ist rücksichtslos vorgegangen. Ihn hat es nicht gekümmert, ob er
dabei entdeckt wird. Davon zeugt auch der Übergriff auf die alte Nachbarin«,
stellte Horstmann fest. »Wir können nur von Glück sagen, dass sich offenbar
kein weiterer Nachbar dem Täter in den Weg gestellt hat. Wer weiß, wie der
reagiert hätte, wenn er auf ernsthaften Widerstand gestoßen wäre. Zumindest
scheint er absolut skrupellos zu sein.«
    »Ein Profikiller der übelsten Sorte, wie wir ihn kaum
in Schleswig-Holstein finden«, stimmte ihm Vollmers zu. »Das hier ist nur die
Fortsetzung der Kaltblütigkeit, die er beim Mord an Havenstein an den Tag
gelegt hat. Der Mörder muss wirklich eiskalt sein, wenn er direkt nach dem Mord
in die Wohnung seines Opfers fährt. Er muss doch damit rechnen, dass dort die
Polizei aufkreuzt.«
    »Oder er kennt sich aus. Wir brauchen erst einmal
Zeit, um die Identität des Opfers festzustellen. Dann sind die Einsatzkräfte am
Tatort gebunden. Damit hat der Täter gerechnet und Havensteins Wohnung
aufgesucht. Komm«, forderte Horstmann den Hauptkommissar auf und ging in die
Wohnung.
    Der kleine Flur war leer, wenn man vom fast weißen
Teppichboden und den Grafiken an den Wänden absah, die durch eine intelligent
angebrachte Beleuchtung ins rechte Licht gerückt wurden.
    »Hier ist das Badezimmer«, sagte Vollmers, nachdem er
sich Handschuhe übergestülpt und eine Tür mit zwei Fingern vorsichtig geöffnet
hatte. Hellgrauer Schiefer an den Wänden, die teuer aussehenden Keramikobjekte
und der durchgängige gemauerte Wandvorsprung zeugten davon, dass Havenstein
nicht an der Wohnungsausstattung gespart hatte.
    Der Hauptkommissar begutachtete die Kosmetik und war
erstaunt, nicht nur zwei Zahnbürsten, sondern neben Fläschchen und Tuben mit
der Beschriftung »pour homme« – für Herren – auch Damenkosmetik vorzufinden.
    »Havenstein hat hier nicht allein gewohnt«, rief er
Horstmann über die Schulter zu.
    »Doch«, antwortete der Oberkommissar.
    Vollmers folgte der Stimme und fand seinen Kollegen im
Schlafzimmer. Ein exakt eingepasster Spiegelschrank beherrschte eine ganze
Zimmerwand. Mitten im Raum stand ein kreisrundes Bett. Vollmer schätzte den
Durchmesser auf zwei Meter.
    »Das ist eine Lustwiese«, stellte Horstmann fest und
wies auf das ungemachte Bett. »Für zwei Erwachsene ist es zur dauerhaften
Besiedelung ungeeignet.«
    »Dauerhafte Besiedelung?« Vollmers hatte fragend eine
Augenbraue in die Höhe gezogen.
    »Ich wollte damit sagen, wenn man es als Ehebett
nutzen würde, wäre es für eine ständige Benutzung zu eng. Da findet man keinen
ruhigen Schlaf. Aber für den Empfang von Besuch …« Der Oberkommissar führte den
Satz nicht zu Ende. Stattdessen zeigte er auf ein Seidennegligé, hob es mit
spitzen Fingern an die Nase und schnupperte daran. »Hmh. Das Parfüm der Dame
ist in einer anderen Preisklasse als jenes, das die Ehefrau eines
Polizeibeamten
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