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Mord am Mirador (Ein Gomera-Krimi) (German Edition)

Mord am Mirador (Ein Gomera-Krimi) (German Edition)

Titel: Mord am Mirador (Ein Gomera-Krimi) (German Edition)
Autoren: Elisa Ellen
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ich Pedro jetzt regelrecht an. Es schien ihm Spaß zu machen, mich so hinzuhalten.
    „Sie sind vor fünf Jahren auf der Straße nach Hermigua tödlich verunglückt. Damals hat man doch die Straße neu asphaltiert und die Böschung ins Tal vorübergehend abgebaut. Jorge hatte die Kontrolle über den Wagen verloren und sie sind über den Rand gefahren. Wenn du willst, kannst du die Trümmer des Autos immer noch unten in der Schlucht sehen. Es hat Tage gedauert, bis es gelang, ihre Leichen zu bergen.“ Er schüttelte traurig sein Haupt und beugte sich über den Weinstock, den er gerade beschnitt.
    Jetzt erinnerte ich mich dumpf an den spektakulären Unfall. Dafür, dass die Straßen auf Gomera so eng und gefährlich sind, passieren solche Unfälle erstaunlich selten. Wenn es aber doch geschieht, ist die ganze Inselbevölkerung tief erschüttert, denn jeder wird unwillkürlich daran erinnert, in welche Gefahr er sich als Fahrer fast täglich selbst begibt.
    „Also sind die beiden Kinder Vollwaisen.“
    „Ja, die Armen. Sie scheinen sich aber ganz tapfer durchs Leben zu schlagen. Carlos arbeitet auf dem Bau und Anita jobbt mal hier, mal da.“
    „Und ist Anita verheiratet, verlobt?“
    Wieder sah Pedro mich schelmisch an. „Das wüsstest du wohl gerne, nicht Chef?“
    Ich fummelte umständlich an meiner Schere herum, damit Pedro meinen Gesichtsausdruck nicht sehen konnte. „Na ja, man wird sich doch wundern dürfen“, brummelte ich.
    „Nun, sie ist es nicht. Man vermutet, dass sie sich ganz um Carlos kümmern will, sozusagen als Mutterersatz. Sie ist zweiundzwanzig, er erst neunzehn, auch wenn er älter aussieht. Außerdem passt Carlos wie ein Schießhund auf sie auf. Der lässt keinen so schnell an seine Schwester ran.“
    „Mm“, sagte ich, mehr nicht. Dann arbeitete ich stumm weiter, aber irgendwie fühlte ich mich richtig gut. Besser, als gerade noch vor etwa zehn Minuten.
    Wir redeten heute sonst nicht viel mit einander, Pedro und ich. Die Sonne stach vom blauen Himmel herab und trieb uns den Schweiß aus den Poren. Im Gestrüpp zirpten die Grillen unaufhörlich. Ab und zu krabbelte eine Eidechse über die schwarze Lava-Erde, glotzte mich an und huschte dann weiter.
    Es war einsam und beschaulich, so, wie ich es liebte. Als ich vor etwa fünf Jahren nach Gomera ausgewandert war, hatte ich genau das gesucht. Einen Ort, wo mich keiner kannte, wo man mir keine blöden Fragen stellte und ich einfach vergessen und hinter mir lassen durfte, was damals in Deutschland geschehen war.
    Das kleine Landhaus hatte ich erstaunlich günstig erworben und – für spanische Verhältnisse – mit relativ wenig Problemen. Es war so, als hätte es über die vielen Jahre nur auf mich gewartet. Auswanderer hatten es zurückgelassen. Es war eine traurig verwitterte Ruine, aber ich hatte mir zunächst ein Zelt besorgt und darin gewohnt, während ich die zerstreuten Steine aufsammelte, das Haus rekonstruierte, ein neues Dach draufsetzte und es mit dem nötigsten Komfort versah; eine kleine Küche, fließendes Wasser, ein Bad.
    Es kam mir damals so vor, als würde ich mein zerschlagenes Leben neu aufsammeln und zusammensetzen. Die spanischen Nachbarn in Arure beobachteten mich zunächst misstrauisch und aus einiger Distanz. Deutsche Touristen mochten okay sein, denn die brachten Devisen und belebten die Wirtschaft auf der Insel. Aber die gehörten in die Zentren, ins Valle oder nach San Sebastian. Man sah es nicht gerne, wenn sich einer so dreist im Dorf einnistete und auf einmal dazugehören wollte. Wenn ich den kleinen Laden im Dorf aufsuchte, war man betont kühl und wickelte das Geschäft schnell ab. Hinzu kam, dass mein Spanisch ziemlich desaströs war. Die zwei Jahre in der Oberstufe hatten mich in keiner Weise darauf vorbereitet, was ich auf einmal können musste.
    Doch irgendwie zerrann das Misstrauen allmählich. Die Dorfbewohner sahen, dass ich nicht vorhatte, den großen Macker zu geben und mir ein Luxusrefugium einzurichten, sondern dass ich mich an ihrem Lebensstil orientierte. Als das Haus fertig war, begann ich den Garten zu bestellen. Ich baute etwas Gemüse und Obst an. Ich legte mir ein paar Ziegen zu und auch eine kleine Hühnerschar. Ich ging in die Bar, setzte mich zu den alten Männern und fragte sie um Rat, wenn ich auf meinem kleinen Hof nicht weiterwusste. Die alten Damen im Dorfladen fingen an, mich (oft zahnlos) anzulächeln und anzuflirten. Sie fanden wohl den großen blonden Deutschen zwar exotisch,
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