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Moral in Zeiten der Krise

Moral in Zeiten der Krise

Titel: Moral in Zeiten der Krise
Autoren: Horst-Eberhard Richter
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Herzinfarktrisiko. In unserer Klinik haben wir uns probeweise auf die Formel verständigt: »Das sichtbare Leiden der Frauen ist die unsichtbare Krankheit der Männer.« Das Ziel der Frauen-Emanzipation sollte also nicht sein, sich mit männlicher Gefühlsunterdrückungein vergleichbares Infarktrisiko einzuhandeln, vielmehr ihre traditionelle soziale Wertewelt auf der Karriereleiter mit nach oben zu nehmen. Meinem Kapitel in Willy Brandts Frauenbuch gebe ich den Titel: »Mehr Weiblichkeit ist mehr Menschlichkeit. Beide Geschlechter können sich nur gemeinsam befreien.«

»Wir können nicht Menschen bleiben, wenn ...«
Mit Michael Gorbatschow und Andrej Sacharow
für eine Welt ohne Kernwaffen
    18 Jahre nach seinem Kanzlersturz stirbt 1992 Willy Brandt, der Politiker der »Compassion«, der Humanist der Gutmenschlichkeit. Viele
     treffe ich in diesen Tagen, die Tränen vergießen, manche zur eigenen Verwunderung. Haben sie doch gar nicht mehr von dem gewusst, was jetzt in ihnen
     hochkommt. Mir überträgt die Partei die einführende Rede auf ihrer Berliner Gedenkfeier. Ich sage etwas über die ungewöhnliche Empfindung von Nähe und
     Liebe zu einem Politiker. Wer auch immer das Wort nimmt, Ignaz Bubis, Felipe Gonzales, Daniel Goeudevert, Günter Grass, Lev Kopelev, jeder möchte etwas
     von dem zurückgeben, was er bekommen hat. Nur einen möchte ich zitieren, den Botschafter der Gegenseite im Kalten Krieg, Valentin Falin:
    »Ich kann aus tiefer Kenntnis der Materie, aus unzähligen Stunden, die ich mit Willy Brandt geschenkt bekommen habe, hier sagen: Ohne Willy Brandt wäre das heutige Europa nicht möglich gewesen. Ohne Willy Brandt wäre es unmöglich gewesen, die Mauer fallen zu lassen. Ohne Willy Brandt wäre der Gedanke an Versöhnung kaum Realität geworden. Ein Gedanke, der uns trotz aller Schwierigkeiten in West und Ost, in Nord und Süd doch Hoffnung gibt. Bevor die Mauern fallen, die auf der Erde stehen, muss man die Mauern in unseren Köpfen, in unserer Seele überwinden. Die Mauern aus Hass, die Mauern aus Voreingenommenheiten, die Mauern aus Misstrauen.
    (...)
    Ohne Willy Brandt gäbe es keinen Moskauer Vertrag,ohne Willy Brandt gäbe es keinen Warschauer Vertrag. Ohne Willy Brandt gäbe es keine Schlussakte von Helsinki, ohne ihn gäbe es keine Vereinigung Deutschlands.«
    Das alles sagt der Ex-Botschafter, der von der Gegenseite aus so genau wie kein anderer die Krisen und Erfolge der russisch-deutschen Beziehungen beobachten konnte. Durch zahlreiche Begegnungen und gemeinsame Interviews sind Falin und ich Freunde geworden. Falin hat die überragende Bedeutung Brandts für die Aussöhnung unserer beiden Völker besser verstanden als die hiesige Öffentlichkeit und mancher heimische Politiker. In seiner Rede hat Falin noch einmal anklingen lassen, was ein Staatsmann vermag, der in den Seelen der Menschen jene Verbundenheit fühlbar macht, aus der heraus eine Versöhnungspolitik geradezu unausweichlich ist.
    Mit der bewegenden Gedenkfeier für Willy Brandt bin ich dramatischen Jahren vorausgeeilt, in denen die Krankheit Friedlosigkeit uns mehrfach an den Rand einer tödlichen Katastrophe bringt. Der Exkommandeur der US -Nuklearstreitkräfte General Lee Butler wird später sagen, es war wohl eher eine himmlische Gnade als menschliche Besonnenheit, die uns ein atomares Inferno erspart hat. Ich selbst rede als Vertreter der Internationalen Friedensärzte in Bonn, Washington und Moskau über den atomaren Wahn. Auch der UN -Generalsekretär benutzt diesen Ausdruck. Warum empfinden wir den Nazi-Wahn als barbarisch, finden aber nichts dabei, dass der Hiroshima-Bomber christlich eingesegnet wird, der 200 000 Menschen umbringt? Warum lassen wir diejenigen sich auf Gott berufen, die mit dem Risiko spielen, die Schöpfung zu vernichten?
    Aber der Westen phantasiert sich durch eine Märtyrerfigurim östlichen Feindesland als unantastbar. Es ist Andrej Sacharow, Erfinder der russischen Wasserstoffbombe, als Menschenrechtler und Systemkritiker in der UdSSR geächtet und verbannt. Als Kronzeuge des kommunistischen Bösen wird er zur Trumpfkarte für die psychologische Kriegsführung des Westens. Wie durch eine wunderbare Fügung gelange ich in die Nähe dieses Mannes, einer weiteren Schlüsselfigur unserer Epoche.
    Aber eins nach dem anderen. Meine kritischen Analysen der Atomrüstungs-Mentalität verschaffen mir verschiedene internationale Vortragseinladungen. Veranstalter sind in der Regel Sektionen unserer
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